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: In der Sauna der finnischen Botschaft

Zehn Frauen gehen in die finnische Botschaft. Kaum durch die Sicherheitsschleuse hindurch, entledigen sie sich ihrer Kleidung und ziehen sich aus.

Was wie eine neue Protestform daherkommt, ist in Wirklichkeit eine Einladung, sich auf Unbekanntes einzulassen. Denn Hannele Malms, die finnische Botschaftsrätin für Kultur, hat zehn Frauen zu einem Wohlfühlprogramm in die Botschaftssauna geladen. Wer dabei ist, fühlt sich besonders. Im Laufe des Abends tauen wir auf, werden gesprächig, gelassen und weich.

Die Metamorphose vom harten Zustand in den entspannten ist choreografiert: Gut, nicht direkt wie ein Tanzstück, eher wie ein Morgenkreis in der Kita. Der Geist darf abschweifen, darf wandern. So etwa: Kaum sind wir angekommen, sitzen wir uns schon nackt gegenüber. Ein Schock, weil es tatsächlich so ist.

Die Sauna in der finnischen Vertretung überzeugt durch Schlichtheit. Betonelemente wechseln mit Holzverkleidungen ab. Im Umkleideraum findet jede Badende, was sie braucht: Handtücher, Bademantel und Schlappen. Weil zwei Saunaräume in der Botschaft vorhanden sind, gibt es eine heiße und eine weniger heiße Option. Bei anderen Gelegenheiten können sich Männer im einen Raum und Frauen im anderen vergnügen, denn Finnen liebten es nicht, gemischt in die Sauna zu gehen, wie die Botschaftsrätin erklärt.

Wie dem auch sei, zusammen mit zwei anderen finde ich mich in der Sauna für die, die es nicht so heiß lieben, wieder. Ich kenne ihre Namen noch nicht, weiß aber schon, dass die eine sich ums Schwitzen nicht schert, die andere wohl. Die, die sich ums Schwitzen nicht schert, ist selbst Finnin. Die andere erzählt, dass sie einen Theaterverlag hat. Daraus entwickelt sich eine Unterhaltung über das Drama an sich und über das Gefühl, wenn Schweißperlen den etwas zu runden Bauch hinabrollen. „Wie Tränen“, sagt die Frau mit Theaterverlag. Bei so viel Ehrlichkeit fällt es leicht, sich fortan zu duzen.

Obwohl man eigentlich nichts falsch machen kann, stellt sich am Ende heraus, dass wir übers Ziel hinaus sauniert haben. Wir werden von denen aus der heißeren Sauna gesucht. Und in der Tat, ich hab’ einen Fehler gemacht, denn mir ist schwindlig. Dem nächsten Programmpunkt kann ich nicht folgen. Eingehüllt in die riesigen weißen Bademäntel sitzen wir, die zehn Frauen, wie Nonnen dabei um einen Tisch im Raum nebenan.

Eine Lesung ist angesagt: Ines Sebesta liest Saunageschichten aus ihrem Buch „Nackte Unterhaltung“. Sie beginnt damit, wie sie einmal Udo Jürgens über seine Leidenschaft für die Sauna interviewen wollte. Nur mit Bademantel bekleidet, gibt sie das Intimste preis, das eine Frau hat: Eine verrückte Idee. Sie muss den Kerl treffen. Ihre Besessenheit vermischt sich mit dem Schwindel in meinen Kopf. Ich verliere den Faden, den die Autorin spinnt. Stattdessen betrachte ich die Tischdecke mit ihren großen roten Blumen. Sie sind der einzige Farbklecks im Raum. Während die Autorin Udo Jürgens längst abfahren sah und nun vom Löyly, der Saunawärme, spricht, verschmilzt mein Gehirn ihren Löyly-löyly-Singsang mit den Informationen am Rand der Tischdecke: „Marimekko, registered trademark, Maija Isola. Unikko, Suomi-Finnland“. Zusammen ergibt das ein wunderbares Ensemble aus nichts.

Die Lesung wird durch einen zweiten Saunagang unterbrochen, dann geht sie weiter, danach gibt es Essen. Der erotische Höhepunkt des Abends ist der Name des Mahls: „Jasons Versuchung“ heißt es. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sind alle Grenzen durchbrochen. Man kann nicht anders im Bademantel, als miteinander zu reden. Deshalb erfahre ich, dass die Mutter der Botschafterin noch in der Sauna geboren wurde. Traditionell waren das die Geburtshäuser in Finnland. Außerdem war die Botschaftsrätin schon am Orankesee beim Eisbaden. Sie lebte elf Jahre in Moskau, da hat sie immer gefroren. Deshalb hat sie mit dem Eisbaden angefangen.

Später wird es sogar ein wenig lustig. Da traue ich mich, mein Finnisch zum Besten zu geben: „Kuck mal, seine Olle“, sage ich. Man muss das ein bisschen verwaschen sagen, so in der Art: „Kuck ma, sine ole“, dann soll es: „Wer bist du?“ heißen. Die Finninnen am Tisch blicken skeptisch. Dann fällt der Groschen und sie lachen ungern. So ist es: Man lässt los und schon war’s falsch.

WALTRAUD SCHWAB

Heute um 19 Uhr liest Ines Sebesta im Finnland-Institut, Georgenstr. 24, aus ihrem Buch „Nackte Unterhaltung“