american pie
: Fliegende Spritzen

Baseballer Barry Bonds wird von den Fans verfemt, aber das ficht den Anabolika-Freund nicht an

Barry Bonds hatte nun schon beinahe zwei Jahre Zeit, diese Pose einzustudieren, und entsprechend gut gelang sie ihm am Montag. Seit der Name des Rekord-Sluggers erstmals mit der Dopingküche Balco in Verbindung gebracht wurde, demonstriert Bonds der Welt, dass ihn nichts anfechten kann. Und das strahlte er auch beim Saisoneröffnungsspiel seiner San Francisco Giants gegen die San Diego Padres aus – scheinbar unberührt kaute der 110-Kilo-Koloss auf seinem Kaugummi herum, als die 80.000 Zuschauer ihn bei der Spieler-Präsentation auspfiffen.

Bonds will sich nicht kleinkriegen lassen. Nicht von dem neuen Buch zweier Journalisten des San Francisco Chronicle, in dem Bonds’ Konsum von Anabolika zwischen den Jahren 2000 und 2002 dokumentiert wird. „Ich schaue mir das nicht an. Ich kann ohnehin nicht lesen“, sagte er bockig nach dem Spiel, das sein Team mit 5:10 verlor. Auch die Untersuchungskommission versucht er zu ignorieren, die Baseball-Commissioner Bud Selig nur zwei Tage vor Saisonstart ins Leben gerufen hat, um Licht ins Dunkel der Jahre 1998–2001 zu bringen, jener Zeit, die schon heute als Steroid-Ära des Baseballs gilt.

Ohne auch nur einen Augenblick zu zögern, hielt Bonds auf den ersten Ball drauf, der ihm vom Padres-Pitcher serviert wurde, und drosch ihn beinahe aus dem Stadion. Es blieb der beste Schlag von Bonds an diesem Abend und er brachte ihn nur bis zur zweiten Base, doch Bonds hatte gezeigt, dass er nicht vorhat, seinen Traum vom ewigen Homerun-Rekord aufzugeben, von dem ihn nur noch 48 Läufe trennen. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich noch ein paar Homeruns auf der Pfanne habe“, sagte Bonds anschließend.

Dass Fans Spritzen auf das Feld warfen, störte ihn genauso wenig wie Schilder mit Sternchen, die die Baseball-Freunde auf den Rängen hochhielten. Jeder Rekord von Bonds, wollten sie bedeuten, gehört mit einer solchen einschränkenden Markierung versehen. „Das hat alles mit mir nichts zu tun“, sagte Bonds. „Ich schau da gar nicht hin. Ich konzentriere mich auf Baseball.“

So sehr sich die Fans und die Baseball-Verantwortlichen das auch wünschen mögen, sie werden Bonds wohl nicht so leicht los. Er hat das Recht zu spielen, und das will er auch wahrnehmen. Und so könnte der schlimmste Albtraum von Commissioner Selig wahr werden, dass er Bonds für den Homerunrekord ehren muss. „Lieber würde ich mich beim Zahnarzt einer Wurzelkanalbehandlung unterziehen“, sagt Selig.

Um diesem Schicksal zu entgehen, kann Selig jedoch nur bei jedem Giants-Spiel beten, dass Bonds daneben haut. Weil der bislang nicht positiv getestet wurde, sind Selig die Hände gebunden. Die Untersuchungskommission, die Selig am vergangenen Donnerstag ins Leben gerufen hat, hilft ihm da wohl auch nicht viel weiter.

Es gehe allerdings auch nicht darum, Spieler zu überführen und zu sperren, sagt Selig. „Die Liga muss wieder die moralische Oberhand gewinnen“, begründete der Commissioner seinen Schritt. Selig und seinen Funktionärskollegen wird vorgeworfen, bislang nur widerwillig etwas gegen das Doping getan zu haben. Jetzt möchte Bud Selig zeigen, dass es ihm ernst ist. Deshalb betont er auch, dass es die Kommission nicht alleine auf den Fall Barry Bonds abgesehen hat, sondern auf eine ganze (dopende) Spieler-Generation.

Bonds hat unterdessen schon seine eigene PR-Offensive geplant. Ab heute Abend strahlt der Sportsender ESPN die Reality-Serie „Bonds on Bonds“ (Bonds über Bonds) aus, in welcher der bislang beim Thema Doping schweigsame Profi unredigiert zu Wort kommen soll.

SEBASTIAN MOLL