EZB feuert Kanonenschüsse gegen Schäuble

KRISE Zoff um Abwicklung europäischer Pleitebanken: Brüssel hofft auf Berliner Kurswechsel nach der Bundestagswahl

BRÜSSEL/VILNIUS taz | Eine Woche vor der Wahl ist die Bundesregierung unter massiven Druck der Eurozone geraten. Bei einem informellen Treffen in Vilnius (Litauen) forderte EZB-Direktor Jörg Asmussen seinen früheren Chef Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf, von seinem Nein zu einer gemeinsamen Abwicklung von Pleitebanken abzurücken. Schäuble sträubt sich, doch in Brüssel rechnet man mit einem Kurswechsel nach der Wahl. Es seien „Kanonenschüsse hin und her gegangen, aber es hat keine wirkliche Debatte über eine Lösung gegeben“, sagte Eurogruppen-Chef Jereon Dijsselbloem nach dem Treffen in Vilnius.

Zuvor hatte Asmussen eine Breitseite gegen Schäuble abgefeuert. „Artikel 114 ist eine solide und robuste Rechtsgrundlage“, sagte der EZB-Mann. Damit widersprach er Schäubles Darstellung, wonach der EU-Vertrag kein gemeinsames Vorgehen erlaube.

Hinter dem Rechtsstreit verbergen sich massive wirtschaftliche und politische Interessen. Viele Euroländer, EU-Kommission und EZB fordern, dass über die Abwicklung von Pleitebanken künftig auf EU-Ebene, in Brüssel oder Frankfurt, entschieden wird – und nicht mehr auf nationaler Ebene wie bisher. Asmussen setzt sich sogar dafür ein, dass die Abwicklung mit Geld aus dem Eurorettungsfonds ESM flankiert wird.

Beides hat Schäuble bisher blockiert. Er sträubt sich sowohl gegen direkte Bankenhilfen aus dem ESM als auch gegen eine europäische Abwicklung. Dahinter steht die unausgesprochene Angst, dass Deutschland – das in seine eigenen Pleitebanken seit Beginn der Finanz- und Eurokrise mehr als 600 Milliarden Euro steckte – die Kontrolle verliert und am Ende für marode Institute aus anderen Ländern geradestehen muss. Brüssel geht auf Schäuble zu. Er sei „sicher, dass wir einen Kompromiss finden“, sagte der zuständige EU-Kommissar Michel Barnier.

Der deutsche Widerstand sei normal, da es um „eine Art Revolution“ im Bankensektor gehe. „Ich bin bereit, an einer anderen Idee zu arbeiten“, fügte er hinzu. Hinter den Kulissen wird offenbar bereits an einer Alternative gearbeitet. Die Bundesregierung diskutiere derzeit über einen Kompromissvorschlag, der ohne Vertragsänderung umsetzbar wäre, meldet die Nachrichtenagentur Reuters. In Berlin wird über verschiedene Szenarien nachgedacht. Welcher Plan weiterverfolgt werde, hänge von den Koalitionsgesprächen nach der Bundestagswahl ab, hieß es. In Brüssel tut man optimistisch: „Vielleicht sieht die Welt in anderthalb Wochen schon ganz anders aus“, sagte Dijsselbloem. Schließlich hatte die Bundesregierung schon 2010 den ersten Rettungsplan für Athen zunächst blockiert – damals mit Rücksicht auf die Landtagswahl in NRW. ERIC
BONSE