Die FDP muss betteln

TAKTIK Das Aus für die Freien Demokraten in Bayern erschwert ihnen den Wahlkampf im Bund. Nun wird die Partei massiv um Zweitstimmen bitten

BERLIN taz | Die Grenze zwischen Kampfgeist und Verzweiflung ist fließend. Als Philipp Rösler um 18.30 Uhr zu den Parteifreunden spricht, sagt er: „Ab jetzt geht es um Deutschland.“ Genauer gesagt, es geht ums Überleben der FDP. Das Ergebnis der Bayern-Wahl ist nicht nur eine Schlappe in der bisherigen FDP-Hochburg. Deshalb wagt die Parteiführung kurz vor der Bundestagswahl eine Verzweiflungstat: eine Zweitstimmenkampagne.

Vor fünf Jahren errangen die bayerischen Freien Demokraten 8 Prozent, diesmal nur rund 3 Prozent. Die FDP fliegt nicht nur aus der schwarz-gelben Regierung, sondern gar aus dem Parlament. Ein ähnliches Debakel droht der Partei am kommenden Sonntag. „Dieses Ergebnis“, ruft der FDP-Vorsitzende, „ist ein Weckruf für alle Liberalen“.

Deshalb wird die FDP versuchen, Unentschlossene zu gewinnen, indem sie ihre Zweitstimmenkampagne forciert. Vor allem in ausgesuchten Wahlkreisen sollen Unions-Anhänger mit der Erststimme für CDU oder CSU stimmen. Mit der Zweitstimme aber, so die Hoffnung, werden sie die FDP wählen – und sie so über die Fünfprozenthürde hieven.

Die Parteizentrale in Berlin warb am Wochenende per Mail bei 80 ihrer Direktkandidaten dafür, mit dem lokalen Mitbewerber von der Union eine Aufteilung der Stimmen zu vereinbaren: Erststimme Union, Zweitstimme FDP. In Bonn haben beide Parteien die Aufteilung sogar schriftlich vereinbart.

Der bayerische FDP hat in den vergangenen fünf Jahren mehr schlecht als recht mit der störrischen CSU regiert. Ähnliches gilt bekanntlich für den Bund. Trotzdem bleibt der Bundespartei nur die Wahl, ganz auf die Fortsetzung der Koalition zu setzen. FDP-Generalsekretär Patrick Döring sagte der Bild am Sonntag: „Schwarz-Gelb ist durch geschicktes Stimmensplitting wählbar.“

Die Kanzlerin zeigt wenig Gegenliebe. In einem Interview warb Angela Merkel offensiv „um beide Stimmen für die CDU“. Sie will sich möglichst viele Koalitionsoptionen offenhalten.

Die FDP setzt in den letzten Tagen auf die Mobilisierung ihrer Stammwähler. Laut Focus will die FDP in den kommenden Tagen 4 Millionen Postwurfsendungen an Haushalte verschicken, denen eine Nähe zur FDP unterstellt wird. So möchte sie gezielt Handwerker, Landwirte, Selbstständige, Ärzte und Ingenieure ansprechen. MATTHIAS LOHRE