„Wir sind nicht nur bürgerlich“

Der Grünenchef Reinhard Bütikofer „nimmt zur Kenntnis“, dass es kein Schwarz-Grün im Ländle gibt

taz: Herr Bütikofer, haben Sie an Schwarz-Grün in Baden-Württemberg geglaubt?

Reinhard Bütikofer: Nein. Ausgeschlossen habe ich Schwarz-Grün zwar nicht. Aber ich bin davon ausgegangen, dass der Ministerpräsident Herr Oettinger den bequemen Weg mit der FDP geht. Interessant war, was sich in den vergangenen Tagen entwickelt hat. Immerhin haben sich nicht nur die Junge Union, sondern auch einige Kabinettsmitglieder für eine Alternative zur FDP als Koalitionspartner ausgesprochen. Doch letztlich ist die Union lieber beim alten Leisten geblieben.

Bedauern Sie das?

Ich nehme es zur Kenntnis. Gut ist, dass die baden-württemberger Grünen ernsthaft gesprochen haben und dabei die Inhalte an erste Stelle setzten. Das war schon vor 14 Jahren nicht anders, als wir mit Erwin Teufel sondierten: Teufel war noch nicht so weit, Oettinger ist auch noch nicht so weit.

Andere, auch Grüne, bedauern es aber, dass die Grünen nicht als neue Mittelstandspartei Richtung Schwarz-Grün losmarschieren können. Dies wird von vielen als grüne Zukunft interpretiert.

Das ist ein völliges Missverständnis. So wenig, wie wir uns in ein rot-grünes Lager kuscheln können, werden wir uns in ein schwarz-grünes Lager kuscheln. Die Lyrik von „Mittelstandspartei“ und „neuer Bürgerlichkeit“ dient einer Vereinfachung, die schlicht nicht trägt. Auf Bürgerlichkeit ist Grün nicht zu reduzieren.

Der Begriff Mittelstandspartei stammt von Ihrem erfolgreichen Spitzenkandidaten Winfried Kretschmann. Damit, meinen viele, habe er die 11,7 Prozent in Baden-Württemberg geholt.

Gewonnen hat er mit grünen Themen. Wir haben sowohl rotgrüne Wechselwähler gewonnen als auch im konservativen Lager gewildert. Spannend ist diese Chance zur Offensive in zwei Richtungen.

Manche Spitzengrüne sagen, dass nun in der regionalen Differenzierung die grüne Zukunft liege: Richtung Rot-Rot-Grün mit sozialer Ader in Berlin, Richtung Schwarz-Grün mit Sinn für Mittelständlerisches im Süden.

Die Berliner Grünen wollen nicht zum Hilfsmotor für die PDS werden, sondern ein rot-grünes Bündnis anstreben. Im Übrigen waren wir Grüne immer schon eine regional ausdifferenzierte Partei. Dass die Schleswig-Holsteiner anders sind als die Bayern, liefert aber keine Antwort auf den Kurs der Gesamtpartei. Der wird durch Inhalte bestimmt und nicht durch Koalitionen in den Ländern. Ökologie, Soziales, Wirtschaftliche Vernunft gegeneinander zu setzen, führte allerdings in die Irre.

INTERVIEW:
ULRIKE WINKELMANN