Hürdenabbau an Hochschulen

BILDUNG Rot-Grün will den Zugang zu den Hochschulen erleichtern und den Frauenanteil erhöhen. Kommende Woche berät die Bürgerschaft

Uneinigkeit herrscht in der Koalition in Bezug auf das „Landeskindergesetz“: Wer in Bremen keinen Erstwohnsitz hat, muss Studiengebühren bezahlen.

■ Zwar ist das Gesetz zunächst bis Ende des Jahres befristet und wird wegen noch anhängiger Gerichtsverfahren nicht exekutiert. Doch die divergierenden Positionen sorgen schon jetzt für Kontroversen: Während die Grünen das Gesetz als verfassungsrechtlich unhaltbar einstufen, will die SPD aus finanziellen Gründen nicht darauf verzichten, Studierende zum Wohnortwechsel zu „animieren“.

Rot-Grün plant ein Hochschulreformgesetz, das ab Juni in Kraft treten soll. Der SPD liegt dabei unter anderem am Herzen, den Hochschulzugang ohne Abitur zu erleichtern. Künftig soll mit dem Meistertitel die allgemeine Hochschulreife verbunden sein. Das gleiche soll für bestimmte Fortbildungsabschlüsse im Gesundheitswesen und bei sozialpflegerischen Berufen gelten.

Selbst das Promotionsrecht wird, so die Absicht von Rot-Grün, weniger exklusiv. Zwar bleibt es Universitäten vorbehalten, doch Doktorarbeiten von Fachhochschulabsolventen sollen keine Ausnahme mehr sein.

Hinter diesem Hürdenabbau steht für Rot-Grün nicht nur das Streben nach größerer Chancengleichheit, sondern auch drohender Fachkräftemangel. Um die wissenschaftlichen Karrieren von Frauen zu fördern, soll eine 40-Prozent-Quote für Berufungskommissionen gelten. Das fällt hinter das im Landesgleichstellungsgesetz vorgesehene 50:50-Verhältnis zurück, was den personellen Realitäten geschuldet sei, sagt Silvia Schön, bei den Grünen für Wissenschaft zuständig. Der Frauenbeauftragten soll immerhin ein „Sondervotum“ zustehen: Kein Vetorecht, aber die Möglichkeit, eine Wiedervorlage der Berufungsliste zu verlangen, wenn frauenspezifische Belange nicht ausreichend berücksichtigt seien.

Bei den wissenschaftlichen Positionen will Rot-Grün ebenfalls einen 40-prozentigen Frauenanteil fest schreiben. Die SPD-Wissenschaftspolitikerin Sybille Böschen illustriert den entsprechenden Bedarf mit einer wissenschaftlich-technischen Fehlleistung: Bei der Entwicklung von Air-Bags waren die Belange Schwangerer schlicht vergessen worden. Böschen: „Das wäre mit mehr Frauen in der entsprechenden Forschung nie passiert.“ Konkret: Während etwa in Portugal der Anteil von Professorinnen im natur- und ingenieurswissenschaftlichen Bereich schon seit längerem bei fast 50 Prozent liegt, dümpelt er im Land Bremen bei unter einem Fünftel.

Neben Verbesserungen für behinderte Studierende – bei gleich bleibenden fachlichen Anforderungen sollen die Prüfungsordnungen für sie flexibler werden – geht es Rot-Grün um Reformen des Bologna-Prozesses: „Eine Hochschulausbildung darf keine Sek III sein“, sagt Schön in Hinblick auf die Verschulung durch die Umstellung auf Bachelor und Master. Insbesondere der „Prüfungs-Wildwuchs“ solle eingedämmt werden. Kommende Woche berät die Bürgerschaft das Gesetzesvorhaben in erster Lesung. Henning Bleyl