Wissenschaft im Exzellenzkampf

Forschung im Umbruch: Weil das Land sich von seinen Forschungsinstituten trennt, schließt sich das renommierte Kulturwissenschaftliche Institut an die drei Ruhrunis an– bekommt aber weiter Landesgeld. Anderen Instituten droht das Aus

AUS ESSENMIRIAM BUNJES

Nach dem frühen Scheitern der Ruhrgebietsuniversitäten im bundesweiten Wettbewerb um den hoch dotierten Titel Elite-Universität, bekommen die Ruhrunis jetzt doch einen wissenschaftlichen Prestigeobjekt. Das Kulturwissenschaftliche Institut (KWI) mit Sitz in Essen schließt sich noch in diesem Jahr an die Universitäten Duisburg-Essen, Bochum und Dortmund an. Damit enden auch die jahrelangen Existenzängste des international bekannten nordrhein-westfälischen Landesinstituts: Schon die ehemalige rot-grüne Landesregierung hatte die finanzielle Förderung um 30 Prozent gekürzt, die schwarz-gelbe Regierung plant inzwischen sich ganz aus der außeruniversitären Forschungsförderung zurückzuziehen (taz berichtete) – und trennt sich entsprechend von seinen Landesinstituten.

Das KWI bleibt trotzdem – sogar ohne jegliche Einsparungen hinzunehmen. Denn am Dienstag beschloss das Landeskabinett neben der Abgabe ihres renommierten Forschungsinstituts auch dessen finanzielle Zukunft: Das Land Nordrhein-Westfalen bezahlt weiterhin des bisherige Budget des KWI – rund 1,8 Millionen Euro. Das Geld geht an die Universität Duisburg-Essen, die ab Sommer organisatorisch und personalpolitisch für das KWI zuständig ist. Die interdisziplinär arbeitenden Geisteswissenschaftler bleiben trotzdem autonom: Im eigenen Vorstand sitzen gleichberechtigt Vertreter der drei Ruhrgebietsuniversitäten, im wissenschaftlichen Beirat sitzen mehrheitlich Wissenschaftler externer Einrichtungen, auch der Institutsdirektor wird von außen berufen. Das Institut bleibt ein reines Forschungsinstitut.

„Wir werden uns durch diese Umstrukturierung wissenschaftlich sogar weiter entwickeln können“, sagt KWI-Präsident Jörn Rüsen. „Wir können jetzt die Potenziale von drei Universitäten verbinden.“ Dass die Universität Dortmund schwerpunktmäßig eine naturwissenschaftliche Universität ist, sieht Rüsen als weiteren Vorteil. „Zu einem kulturwissenschaftlichen Diskurs gehört ein weiter Blickwinkel.“ Auf dem gründet auch der gute Ruf des KWI, das seit seiner Gründung Geistes- und sozialwissenschaftliche Forschungsrichtungen vernetzt – immer mit internationaler Perspektive.

Nordrhein-Westfalens Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) nennt das KWI deshalb „ein Juwel“, das „eine Marke für NRW“ bleiben müsse. Die Ruhrgebietsuniversitäten hätten so endlich ein Vorzeigeprojekt bekommen und die Möglichkeit durch die gemeinsame Forschung, weiter zusammenzuwachsen.

Genug Exzellenz haben aber offenbar nicht alle der mehr als 20 direkt vom Land abhängigen Forschungsinstitute. „Das KWI ist besonders“, sagt Pinkwart. „Wir müssen für jedes Forschungsinstitut eine individuelle Lösung finden.“ Wenn ein Institut jedoch keine Kooperationsmöglichkeiten mit Universitäten oder anderen Geldgebern finde, könne es sein, „dass seine Forschung sowieso nicht mehr in die heutige Zeit passt.“

Ohne die vollständige Finanzierung durch das Land Nordrhein-Westfalen wäre allerdings auch die für alle beteiligten wissenschaftlichen Einrichtungen erfreuliche KWI-Lösung nicht gefunden worden. „Wir haben kein Geld, Institute und ihre Mitarbeiter aufzunehmen“, sagt Lothar Zechlin, Rektor der Universität Duisburg-Essen. „Wenn eine nordrhein-westfälische Universität ein Landesinstitut übernimmt, muss sie etwas anderes zumachen.“

In NRWs Hochschulen wird deshalb zur Zeit viel verhandelt – auch für renommierte Institute für das Institut für Arbeit und Neue Technik (IAT) in Gelsenkirchen und das Wuppertaler Institut für Klima und Umwelt ist die Zukunft unsicher. Das Institut für Kinderernährung (FKE) in Deutschland fürchtet sogar, schon Ende des Jahres schließen zu müssen. „Oder wir richten uns kommerziell aus. Dann bricht die Grundlagenforschung zusammen“, sagt Anja Kroke, stellvertretende Leiterin des FKE. „Exzellenz wird sich durchsetzen“, sagt dazu NRWs Wissenschaftsminister.

Dieser Leitsatz verändert schon jetzt NRWs Hochschulpolitik. Während die Uni Dortmund mit dem Landesinstitut Sozialforschungsstelle über eine Übernahme verhandelt, schließt sie mit der Begründung „die Sozialwissenschaften zu stärken“ ihre historische Fakultät. Statt Spitzenforschung werden hier bislang Lehrer ausgebildet.