Paucker kennt die Popgeschichte und Bobby & Blumm wollten eine prima Musik einfach nicht mutwillig verschlechtern

Wollen wir hier mal – angesichts von Turbokapitalismus, Erderwärmung und prinzipieller schlechter Laune – eine radikale Forderung aufstellen: Weg mit dem Immermehr, dem diktatorischen Immerweiter. Stattdessen lieber ein entspanntes Zufriedensein im Hier und Jetzt: Auch und vor allem in der Popmusik, wo doch immerzu Entwicklung gefordert wird. Denn wozu sollte man prima Musik mutwillig verschlechtern: So, wie es ist, ist es doch oft ganz schön. Und viel schöner konnte es mit Bobby & Blumm nicht mehr werden, war ihr Debütalbum „Everybody Loves?“ vor zwei Jahren doch ein zufrieden fläzender Ruhepol. Nun hat sich F.S. Blumm, sonst durchaus ein avantgardistisch gestimmter Soundkonstrukteur, noch einmal mit der gebürtigen Schwedin Ellinor „Bobby“ Blixt zusammengetan, um deren glockenhelle, ungebrochene Stimme auf „A Little Big“ angemessen zu ummanteln.

Das tut er wieder einmal mit denkbar simplen Mitteln: Eine akustische Gitarre, ein einsames Saxophon, ein wenig Knistern und Knuspern aus dem Computer. Das fügt sich zu schier endlosen und sparsam möblierten Hallräumen, in denen Blixt nun herumstöbern darf. Dabei findet sie immer wieder eine entrückte Schönheit, die mitunter so fragil wirkt, dass man – aus Angst, mit allzu großer Aufdringlichkeit etwas zu zerstören – beim Hören nicht zu nahe an die Boxen heranrücken möchte. Abstand halten darf man auch live, heute bei der Release-Party im Kreuzberger L.U.X.

Auch Michael Paucker muss man loben im Sinne unserer Eingangsforderung: Hat der gebürtige Stuttgarter doch als Kind schon Beatles-Songs auswendig gelernt, dann als Jugendlicher den R&B der Fünfziger Jahre entdeckt, später in den Live-Bands von Joy Denalane und Thomas D gespielt und gibt sich nun, als Musiker nur unter seinem Nachnamen agierend, auf seinem Debütalbum „Miserable Junkie“ erst gar keine Mühe, das Rad neu erfinden zu wollen und von klassischen Vorlagen abzurücken. Stattdessen spielt er einen sensationell souveränen Power-Pop, der so tut, als könnte man heute noch zeitlose Melodien singen. Das Erstaunliche ist allerdings, dass diese Melodien, die sich Paucker da so ausgedacht hat, tatsächlich vergleichsweise unverbraucht klingen, ja mitunter sogar mitreißend.

Da ist es wohl nur Zufall, dass Paucker gleich im Eröffnungssong einer „Sophie“ sanft „Get well soon“ wünscht. Denn mit dem gleichfalls so geheißenen Projekt des gefeierten Wunderkinds Konstantin Gropper verbindet ihn kaum etwas: Statt kleinteiligem Soundesign setzt er auf einfache Lösungen, die er meist aus der Popgeschichte entlehnt.

Zwar finden sich auf dem Album auch Anspielungen auf die Moderne, geschickt platzierte elektronische Elemente, die Paucker seit drei Jahren als der Synthie- und Gitarrenbeauftragte bei der Electronic-Jazz-Combo Triband perfektionieren konnte. Schlussendlich aber adaptiert Paucker nur die besten Ideen aus der Vergangenheit: Und das ist ein Recycling auf allerhöchstem Niveau. THOMAS WINKLER

■ Bobby & Blumm: „A Little Big“ (Sound Of A Handshake/Morr Music), live heute L.U.X., 28. 4. im Ä

■ Paucker: „Miserable Junkie“ (Monohausen/Groove Attack), live 24. 4. im Grünen Salon, 27. 4. im Waschhaus Potsdam