„Wahlkreis: Gibraltar bis Wladiwostok“

Die Berlinerin Elisabetta de Costanzo kandidiert für den italienischen Senat. Ihre Wähler sind weit verstreut

taz: Frau de Costanzo, Sie kandidieren als Auslandsitalienerin für den italienischen Senat. Wie schätzen Sie Ihren Chancen ein?

Elisabetta de Costanzo: In einem Wahlkreis, der von Gibraltar bis Wladiwostok, vom Nordkap bis Malta reicht, ähnelt der Ausgang dieser Wahl eher einem Lottospiel. Es ist fast unmöglich, alle Wähler zu erreichen.

Seit 23 Jahren leben Sie in Berlin. Was war der Grund für den Wegzug aus Italien?

Ich kam das erste Mal nach Berlin im Rahmen einer deutsch-italienischen Kulturveranstaltung. Ich fuhr anstelle eines Freundes, der zur Theatergruppe von Franca Rame und Dario Fo gehörte. Die Atmosphäre der Stadt gefiel mir so gut, dass ich mich – nachdem ich mich in Italien mit meinem miserablen Lohn für meine Arbeit im Museum und dem Verschwinden der politischen Bewegungen konfrontiert sah – zum Umzug nach Berlin entschloss. Hier habe ich dann mein Diplom und später meine Promotion in Psychologie erworben, während ich als freie Journalistin mein Geld verdiente.

Wie bedeutsam ist die italienische Herkunft für Sie?

Durch die journalistische Arbeit habe ich die verschiedenen Facetten des italienischen Lebens in Berlin kennen gelernt und angefangen, mich politisch für italienische Migranten zu engagieren. Seitdem ich in Berlin wohne, bin ich in der gewählten Vertretung der Italiener auf lokaler und seit sieben Jahren auf internationaler Ebene tätig.

Nun kandidieren Sie für den Senat, um im Ausland wohnhafte Italiener zu vertreten. Wie kam es zu diesem Entschluss?

Wenn man 23 Jahre lang für italienische Migranten in Deutschland tätig ist, liegt diese Entscheidung nah. Zumal wir lange für dieses Wahlrecht gekämpft haben. Die ultimative Entscheidung kam für mich aber relativ spät. Da ich eher der Welt der italienischen Vereine und Basisbewegungen und nicht so sehr der Parteien angehöre, sah es zuerst gar nicht so gut aus für mich.

Es gibt über 1,7 Millionen italienische Bürger im Wahlkreis Europa. Können Sie die verschiedenen Interessen auf einen Nenner bringen?

Meine Forderung ist, dass italienische Staatsbürger – unabhängig vom Wohnort – die gleichen Rechte haben. Die Verletzung von Grundrechten ist eine Erfahrung, die viele Italiener im Ausland auf verschiedenen Feldern machen: Das geht von der Schulbildung bis hin zur Gewährleistung der Rente.

Welchen Stellenwert hat die liberale Partei Italia dei Valori (IdV) von Antonio Di Pietro, für die Sie kandidieren, bei den Auslandsitalienern?

Gerade in Deutschland ist die IdV, die mit Romano Prodis „Unione“ verbündet ist, gut bekannt. Einerseits dadurch, dass Di Pietro selbst als Gastarbeiter in Stuttgart gelebt hat. Andererseits weil der sizilianische Mafiagegner Leoluca Orlando – der in Italien mit der IdV kandidiert – durch seinen Kampf gegen Korruption und Kriminalität auch hier sehr geschätzt wird. Vor diesem Hintergrund stehen die Chancen, dass IdV die Stimmen bekommt, die die erwünschten Sitze für die Mitte-links-Koalition bringen sollten, gar nicht so schlecht.

Wird es eine hohe Wahlbeteiligung geben?

Es ist das erste Mal, dass so gewählt wird. Man hat also keine früheren Erfahrungen, an denen man sich orientieren könnte. Bei anderen Wahlgängen – wie bei der Europawahl – war die Beteiligung sehr niedrig. In Deutschland lag sie bei 20 bis 25 Prozent.

Die heiße Phase des Wahlkampfes läuft. Wie sieht Ihr Alltag momentan aus?

Im Moment wird sehr wenig geschlafen. Mein Tag besteht zum einen aus Wahlveranstaltungen oder Treffen mit Wählern zum Beispiel von Vereinen oder in Restaurants. Zum anderen aus Gesprächen über Telefon, Post oder E-Mail. Das liegt daran, dass ich sowohl in Deutschland als auch in angrenzenden Ländern unterwegs bin.

Wird sich Ihr Leben ändern, wenn Sie gewählt werden?

Klar ist: Ich würde sehr viel zwischen Rom und Deutschland pendeln müssen. Die Pflege der Kontakte mit den Wählern wird das Hauptproblem sein: Mit dieser Art Wahl ist man fast dafür prädestiniert, auf diesem Feld zu scheitern. Deshalb muss man die vielen italienischen Vereine im Ausland als Kontakte zu den Gemeinden stärker nutzen sowie die gewählten Vertretungen von Italienern im Ausland.

INTERVIEW: MARIA DALDRUP