Männlich dominiert

PODIUM „Feministische Netzkultur 2.0“ war das Thema – aber für eine echte Debatte war kein Platz

Proppenvoll war der Saal Mittwochmittag noch gewesen, als es um die Rechtsberatung für Blogger ging. Bei dem Panel „Feministische Netzkultur 2.0“ war er dann nur noch halbvoll, die Moderatorin Svenja Schröder betonte dennoch, die re:publica sei gegenüber Frauen „total aufgeschlossen“.

Aber ein Querschnitt der Gesellschaft war die Bloggermesse in Berlin ohnehin nicht. Schon vor dem Haupteingang am Friedrichstadtpalast fand man nicht die üblichen Rentner, die sonst auf ihr Musical warteten, sondern Nerds mit neongelben Capes und den obligatorischen Riesenbrillen. In den Wartelounges schienen alle eifrig ins Gespräch vertieft, starrten aber gleichzeitig in ihre Macbooks, Thinkpads oder iPhones. Wie sollte es auch anders sein, in der Welt der Mulittasker und Info-Junkies? Natürlich war hier keiner über 35, der Durchschnitt gefühlt eher Mitte zwanzig und: 90 Prozent männlich!

Die Feministinnen hätten sich seit dem letztjährigen Panel stärker vernetzt, sagte Helga Christina Hansen vom Blog der „Mädchenmannschaft“ dann auf dem Podium. Und auch die Piraten als netzaffine Partei hätten sich dem Thema „Einbeziehung von Frauen“ stellen müssen. Aber die Entwicklung sei noch nicht allzu weit, die Piraten versuchten immer noch, das Thema zu vermeiden, gab die Moderatorin zu.

Visionen für eine gleichberechtigte Zukunft waren außer dem Gedanken der weiteren Vernetzung nur gezielte Kampagnenarbeit, und Chris Köver vom Missy Magazine wollte bei der breiten Masse ein Bewusstsein für die herrschende Unterdrückung schaffen.

Vernetzung, Kampagnen und Aufklärung? Hört man das nicht auf jedem Podium zur feministischen Agenda? Wo war hier die feministische „Netzkultur 2.0“? Wo die Fragen nach der netzspezifischen Unterdrückung, danach, wie Frauen sich Raum im Web verschaffen können und mit sexistischen Äußerungen umgehen?

Viele Fragen blieben offen

Als man gerade dachte, jetzt müsste die Diskussion endlich vom Allgemeinen zum Speziellen übergehen, war sie schon so gut wie vorbei. Denn zwei lautstarke Männer bauten neben dem Podium wild gestikulierend die Powerpointpräsentation zum nächsten Vortrag auf. „Blogs monetarisieren“ blinkte nun auf zwei großen Bildschirmen links und rechts der Gesprächsrunde, die Moderatorin zuckte nur hilflos die Schultern, und es strömte schon das Publikum für den nächsten Vortrag rein.

Eine tiefergehende Diskussion über die netzspezifische Sprache, über die Rollenzuschreibung und die starke Präsenz von Antifeministen im Netz, die sexistischen Kommentare auf Spiegel Online und die Morddrohungen gegen Bloggerinnen fiel dann leider dem hereinströmenden Männerpulk zum Opfer, die ihre Blogs monetarisieren wollten. JULIA FRITZSCHE