THAILAND NACH THAKSIN: SCHWIERIGE ARBEIT AN NEUER VERFASSUNG
: Die Unverfrorenheit ist am Ende

Der Abgang von Thailands Premier Thaksin Shinawatra könnte den Weg bereiten für eine nationale Aussöhnung und eine Demokratisierung des Landes. Die Unverfrorenheit, mit der unter seiner Administration die Verfassung unterwandert wurde und die demokratischen Systeme ausgehöhlt wurden, ist in nächster Zukunft wohl nicht mehr in diesem Ausmaß zu erwarten.

Die Ironie dabei ist, dass Thailand längst eine der fortschrittlichsten Verfassungen in Asien hatte. Kernpunkte der erst 1997 reformierten Konstitution beinhalteten die Stärkung der Meinungs- und Pressefreiheit sowie die Etablierung von Kontrollgremien, die Korruption und Machtmissbrauch unter die Lupe nehmen sollten. Doch Thaksin, dessen Partei „Thais lieben Thais“ sich ihre kleineren Koalitionspartner förmlich einverleibte und der in seiner zweiten Legislaturperiode ab Februar 2005 mit überwältigender Mehrheit regierte, hatte sämtliche Freiheiten gefährdet. Wer nicht dem politischen „Mainstream“ der Regierungsvorgaben folgte, wurde kaltgestellt oder mit Verleumdungsklagen überzogen. Menschenrechtsverletzungen waren ebenso Kennzeichen seiner Amtszeit wie die Vermengung seiner politischen und der gesellschaftlichen Interessen.

Das darf in Zukunft nicht mehr vorkommen. Zwar droht dem Land ein politisches Vakuum, weil es noch Wochen, vielleicht Monate dauern kann, bis eine Übergangsregierung im Amt ist. Doch unmittelbar nach der ersten Sitzung des neuen Parlaments soll eine neue Verfassung erarbeitet werden. Diese muss allerdings so angelegt sein, dass die Macht des Premiers von vornherein beschnitten ist. Und sie muss Akzeptanz bei allen Einwohnern Thailands finden. Das aber dürfte schwierig sein. Denn das Land hat zwei Gesichter: eines, das vom Mittelstand und den Intellektuellen in den größeren Städten, und das andere, das von der armen Agrarbevölkerung geprägt ist. Die Bewohner der ländlichen Gebiete im Norden und Nordosten Thailands hatten der populistischen Politik von Premier Thaksin vertraut, diese aber nicht zu durchschauen vermocht. Letzteren ist der tägliche Kampf ums Überleben verständlicherweise näher als politische Transparenz. NICOLA GLASS