BUNDES-WASG SETZT BERLINER WASG ZU RECHT UNTER DRUCK
: Autoritär und vernünftig

Irgendwie erinnert der Streit um die Berliner WASG an die Auflösung einer Wohngemeinschaft. Alle haben vergessen, warum sie mal zusammengezogen waren. Dafür gibt sich jetzt jeder viel Mühe, noch gemeiner als der andere zu sein. In Sachsen-Anhalt kam es in der WASG zwischen Fusionsbefürwortern und -gegnern sogar zu Handgreiflichkeiten, die im Blumenbeet endeten. Ähnliches könnte auch der Berliner WASG drohen, die tief in fusionswillige Realos und trotzkistische Fundis gespalten ist, die die PDS ernsthaft für „neoliberal“ halten. Linkspartei und WASG-Bundesvorstand haben der Berliner WASG jetzt die Folterinstrumente gezeigt: Falls die linksradikalen WASGler ihre Kandidatur für die Wahl im Herbst nicht zurückziehen, wird die Bundes-WASG das tun. Ob das möglich ist, dürfte vor Gericht entschieden werden.

Ist diese Verschärfung klug? Sollten Lafontaine & Co. nicht einfach abwarten? Wenn die WASG in Berlin partout gegen die Linkspartei/PDS antreten will, wird sie als sektiererischer Club enden, mit ein paar hundert Mitgliedern und der Aussicht, im besten Falle zwei Prozent zu bekommen. Nicht mal ignorieren – das wäre souverän. Doch Bundes-WASG und Linkspartei halten das offenbar für zu riskant. Vielleicht, weil sie unsicher sind, ob die Konkurrenzkandidatur der WASG nicht doch den Status der Linksfraktion im Bundestag gefährden kann. Vielleicht, weil es für Rot-Rot im Herbst eng wird und zwei Prozent entscheidend sein können.

Der Konfrontationskurs schafft nun immerhin Klarheit. Das Ultimatum der Bundes-WASG mag autoritär anmuten – aber es ist ein Versuch, den Konflikt zu rationalisieren. Denn Linkspartei und WASG-Realos haben gleichzeitig ein Positionspapier vorgelegt, das den Fundis den Wind aus den Segeln nimmt. Die Kernpunkte: mehr Chancen für sozial Schwache, mehr Beschäftigung im öffentlichen Dienst. Wer das als neoliberal denunziert und auf der eigenständigen WASG-Kandidatur beharrt, dem geht es nur um bedingungslose Fundamentalopposition. Dies dem Publikum nochmals vor Augen zu führen ist ein aufklärerischer Effekt dieses Manövers. STEFAN REINECKE