Blairs Angst vor dem Wahlvolk

Vier Wochen vor Teilkommunalwahlen in England sieht es für Tony Blair düster aus. Seine Labour-Partei ist an der Spitze zerstritten und an der Basis demoralisiert

DUBLIN taz ■ Sie haben es wenigstens versucht. Der britische Premierminister Tony Blair und sein designierter Nachfolger, Finanzminister Gordon Brown, erschienen am Mittwoch gemeinsam zum Wahlkampfauftakt der regierenden Labour-Partei für die Kommunalwahlen am 4. Mai und überhäuften sich gegenseitig mit Komplimenten. Beide behaupteten, ihre Partnerschaft habe dafür gesorgt, dass es den Briten unter Labour besser gehe als je zuvor. „Unsere Investitionen in die öffentlichen Dienste hängen von einer starken Wirtschaft ab“, sagte Blair, „und Gordon ist es zu verdanken, dass wir diese starke Wirtschaft haben.“

Der Burgfrieden hielt jedoch nicht mal bis zum Ende der Pressekonferenz. Streitpunkt war Blairs Anordnung, dass die anwesenden Reporter keine Fragen stellen durften, doch Brown zeigte sich in einem Fernsehinterview mit dieser Maßnahme nicht einverstanden. Blair rechtfertigte sich: „Ich beantworte ständig eure Fragen, aber ihr müsst einsehen, dass wir manchmal unsere eigene Show aufziehen wollen, um unsere Botschaft zu vermitteln.“

Die Botschaft ist diesmal „law and order“. Zwar ist in dem 17-seitigen Wahlmanifest auch die Rede von neuen Schulen, kürzeren Wartezeiten in den Krankenhäusern und niedrigeren Kommunalsteuern, aber der Schwerpunkt liegt auf der Bekämpfung „antisozialen Verhaltens“. Blair kritisierte die oppositionellen Konservativen, weil sie gegen die geplanten neuen biometrischen Personalausweise seien.

Für die Tories geht es darum, ihren Aufwärtstrend bei den Kommunalwahlen fortzusetzen. Seit Labour 1997 an die Macht kam, konnten die Tories die Zahl ihrer Bezirksverordneten auf 8.000 verdoppeln – das sind 1.500 mehr als Labour. Außerdem haben sie mit David Cameron einen neuen Parteiführer, der – wie Blair bei seinem Amtsantritt – jugendlich wirkt, charmant ist und auf die gleichen Schlagworte wie „Modernisierung“ setzt. Das müsste im Mai für weitere Sitze in den Rathäusern ausreichen.

Gewählt wird in 176 von 388 englischen Wahlkreisen, darunter sämtliche 32 Londoner Bezirke. In London erzielten die Konservativen schon bei den letzten Parlamentswahlen 2005 mit die höchsten Zuwächse. Besonderes Augenmerk richten politische Beobachter auf Liverpool, wo die Nazipartei British National Party (BNP) ausgerechnet im Wahlkreis Knowsley einen Kandidaten aufgestellt hat. Dort wurde im vergangenen Juli der schwarze Teenager Anthony Walker bei einem rassistisch motivierten Überfall mit einer Axt erschlagen. Der BNP-Kandidat Gary Aronsson war bis Ende der Neunzigerjahre Mitglied in der Labour Party.

Blair weiß, dass seine Zukunft wohl vom Ausgang der Kommunalwahlen abhängt. Er weigert sich beharrlich, einen Termin für die immer wieder versprochene und verschobene Amtsübergabe an Brown zu nennen. Der ist verärgert, weil Blair ihm sein politisches Programm für die Zeit nach seinem Antritt als Premierminister gestohlen haben soll. Browns zentrale Punkte jenseits der Staatsfinanzen waren zuletzt die Reform des Oberhauses sowie eine neue Regelung für die Parteienfinanzierung. Blair hat sich beides geschwind zu eigen gemacht, als im vorigen Monat der Skandal um Oberhaussitze für Parteispenden ausbrach. Freunde von Brown behaupten, der Schatzkanzler werde sich künftig hüten, Blair in seine Pläne einzuweihen. RALF SOTSCHECK