Nicht ausreichend versorgt

SOZIALES Verband psychosozialer Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer fordert adäquate Versorgung von Flüchtlingen – und lobt Bremen

Vom Gutdünken einzelner Sachbearbeiter hängt die Genehmigung einer psychotherapeutischen Behandlung ab – dabei ist der Anteil Traumatisierter hoch

Die umfassende gesundheitliche Versorgung von Flüchtlingen ist in Deutschland nicht gesichert. Das kritisierten VertreterInnen der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft psychosozialer Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAFF). Am Mittwoch trafen sie sich in Bremen zu einer Tagung im Beratungszentrum „Refugio“.

Versäumt werde in Deutschland bislang, körperliche und seelische Erkrankungen bei Asylbewerbern frühzeitig zu erkennen. BAFF-Sprecherin Esther Kleefeld forderte die Bundesregierung daher auf, mit einem adäquaten „Clearing“-Konzept die verpflichtenden Vorgaben der EU-Aufnahmerichtlinie umzusetzen. Gelobt hingegen wurde das „Bremer Modell“ zur Gesundheitsversorgung Asylsuchender.

Denn seit 2005 erhalten Flüchtlinge in Bremen eine normale Krankenkassenkarte der AOK. Sie müssen sich nicht – wie in fast allen anderen Bundesländern bis heute üblich – vor jedem Arztbesuch die Kostenübernahme vom Sozialamt bestätigen lassen. 2012 zog Hamburg nach und schloss einen Vertrag mit der Bremer AOK.

Seit 1993 ist die Versorgung Asylsuchender in Bremen auf deren umfassende ärztliche Betreuung statt auf „Seuchenabwehr“ ausgerichtet – dazu gehört, dass Ärzte die Asyl-Unterkünfte aufsuchen und niedrigschwellig ansprechbar sind.

Auch in Bremen gelten allerdings die Diskriminierungen aus dem bundesweiten Asylbewerber-Leistungsgesetz: Es sieht Behandlung nur bei akuter Krankheit und Schmerzen vor – zusätzliche Leistungen „können“ gewährt werden.

„In anderen Ländern haben Flüchtlinge mit deutlich mehr und höheren bürokratischen Hürden zu kämpfen“, so Kleefeld. Vor allem Genehmigungen psychotherapeutischer Behandlung hängen vom Gutdünken einzelner Sachbearbeiter ab und dauerten manchmal Monate. Auch Dolmetscher-Kosten würden nicht automatisch übernommen.

Kleefeld geht davon aus, dass bis zu 40 Prozent der Flüchtlinge traumatisiert sind. In den bundesweit 25 psychosozialen Zentren für Flüchtlinge werden jährlich zwischen 8.000 und 10.000 Menschen behandelt – darunter Kindersoldaten und vielfach Opfer von Krieg oder Folter.

Die Finanzierung dafür ist nicht ausreichend gesichert. Zu einem Großteil erfolgt die Versorgung ehrenamtlich – und für viele Flüchtlinge reichen die Kapazitäten nicht aus. So bleibe es häufig bei einer Krisenintervention.

Auch die sieben MitarbeiterInnen des Bremer Zentrums „Refugio“ behandeln zu einem Drittel Flüchtlinge aus Niedersachsen, weil es dort an Angeboten fehlt.  JPB