Jetzt müssen doch die Experten ran
: KOMMENTAR VON SABINE AM ORDE

Die große Koalition hat zwar ihre Ziele zur Gesundheitsreform formuliert. Sie sind aber so allgemein, dass sowohl die SPD als auch Union sich darin ohne allzu große Verbiegungen wiederfinden können. Eine Annäherung in den Kernfragen sind sie nicht – und deswegen müssen sich jetzt die Fachleute um die Einzelheiten kümmern. Dabei schienen die Experten noch vor kurzem den gesundheitspolitischen Gestaltungswillen der Kanzlerin zu behindern.

Aber auch die Fachleute sollten ihre ursprünglichen Konzepte in die Schublade packen. Denn die Union wird nicht gänzlich auf ihre beiden Grundforderungen verzichten: die Kopfpauschale und das Einfrieren des Arbeitgeberbeitrags zur gesetzlichen Krankenversicherung. Der einzige bislang bekannt gewordene Kompromissvorschlag will denn auch neben Elementen der Bürgerversicherung eine kleine Kopfpauschale einführen. Das wäre ein Einstieg in einen Systemwechsel, der unsolidarisch ist und die steigenden Kosten allein den Versicherten aufbürdet.

Besser wäre es, einen Teil der Gesundheitsversorgung über Steuern zu finanzieren. Die gesetzlichen Kassen brauchen 2007 mindestens sieben Milliarden Euro, um die Beitragssätze stabil zu halten. Und die Gesundheitskosten werden mit dem medizinischen Fortschritt weiter steigen. Ein „Gesundheitssoli“, den alle Bürger einkommensabhängig zahlen, wäre gerechter als ein fauler Kompromiss aus Kopfpauschale und Bürgerversicherung.

Allerdings nur, wenn die Bedingungen stimmen. Gerade untere Einkommen dürfen nicht stärker zur Kasse gebeten werden. Sie sind durch zunehmende Eigenbeteiligung schon stark belastet. Das Geld muss außerdem in die gesetzliche Krankenkasse fließen, und zwar unabhängig von der Haushaltslage des Bundes.

Auch die Umfinanzierung der Gesundheitsversorgung von Kindern kann problematisch werden. Ohne Korrektiv würden ausgerechnet die gut verdienenden Privatversicherten und ihre Kassen profitieren. Genau diese aber müssen sich endlich stärker an der Krankenversorgung für die Einkommensschwachen beteiligen. Sonst wird das Ziel von der „solidarischen Finanzierung“ nicht umgesetzt. Und auf sie kommt es an.