Der Panzer patzt und patzt und patzt

PAPST Er hat viel Macht – und er nutzt sie dumm und falsch. Am Montag ist Benedikt XVI. fünf Jahre im Amt

Der Termin: Am Montag hat Papst Benedikt XVI. fünfjähriges Dienstjubiläum. „Habemus Papam“, hieß es am 19. April 2005 überraschend schnell. Zwei Drittel der 115 wahlberechtigten Kardinälen hatten für Joseph Alois Ratzinger gestimmt.

Die Unzufriedenheit: „Oh, mein Gott!“, titelte die taz am 20. April 2005. Andere waren dagegen überglücklich über den deutschen Papst. 2007 benoteten 70 Prozent der Deutschen in einer Umfrage seine Arbeit mit gut oder sehr gut. Und jetzt? 46 Prozent von 1.004 Befragten beurteilen seine Arbeit in einer Forsa-Umfrage als schlecht.

VON PHILIPP GESSLER

Mitleid ist nicht angebracht. Auch wenn Papst Benedikt XVI., der am Montag den fünften Jahrestag seines Pontifikats feiern kann, seit einiger Zeit nichts mehr gelingen mag. Auch wenn ihn und die Kirche, ein Fingerzeig Gottes wohl, eine Krise heimsucht, wie sie selbst in der zweitausendjährigen Geschichte der Kirche ihresgleichen sucht. Auch wenn der alte Herr Professor in Rom zuletzt so oft bedrückt und unglücklich aussah – und es die christliche Nächstenliebe für geboten hätte erscheinen lassen zu sagen: Ach, lasst ihn doch mal in Ruhe!

Nein, Mitleid hat Joseph Ratzinger nicht verdient, weil die Misere, in der er steckt, zum größten Teil selbst verschuldet ist. Auch weil dieses Oberhaupt von über 1,1 Milliarden Katholiken seit fünf Jahren einfach zu viel Macht hat, die er überwiegend falsch oder dumm genutzt hat. Und schließlich, weil der Geistliche mit seiner Kirche etwas im Sinn hat, was keinem denkenden Menschen und mitfühlenden Katholiken sinnvoll erscheinen kann, nämlich die ängstliche Rückkehr seiner Kirche ins scheinbar heile Gestern.

Solch trübe Bilanz war vor fünf Jahren nicht unbedingt zu erwarten, als Ratzinger gewählt wurde. Denn im Großen und Ganzen hatte sein frühes Agieren Charme. Da war sein Auftritt in Köln auf dem Weltjugendtag 2005, bei dem der alte Mann, linkisch zwar, aber immerhin, einen Draht zu den „Benedetto!“ jubelnden Jugendlichen aufbauen konnte – warum auch immer. Auch der gerade für einen Deutschen so sensible Besuch in einer Kölner Synagoge glückte.

Benedikts erste Enzyklika „Deus caritas est“ sprach über die körperliche Liebe, was bei diesem Zölibatären überraschte. Ein längerer Plausch mit seinem großen theologischen Gegenspieler Hans Küng ließ hoffen, dass der erzkonservative Ponitifex maximus vielleicht doch etwas versöhnlicher sein könnte, als er sich zuvor als Chef der Glaubenskongregation stets präsentiert hatte. In dieser Anfangszeit waren der intelligente Professor-Papst und seine Gedanken in den Feuilletons dank seines radikalen Gegenentwurfs zur säkularisierten Moderne ein wenig en vogue. Doch diese seltsame Liebe währte nur kurz.

Seitdem geht bei diesem Papst so ungefähr alles schief, was schiefgehen kann. Schlimmer noch: Der einst als „Panzer-Kardinal“ titulierte Ratzinger offenbarte zusehends deutlicher eine religions- und kirchenpolitische Agenda, die die finstersten Befürchtungen bewahrheitete. Nun zeigte sich in Reinform, was er damit meinte, als er kurz vor dem Konklave im Petersdom vor seinen Kardinalsbrüdern programmatisch vor einer „Diktatur des Relativismus“ warnte. Vor allem im Dialog mit „der Welt“, wie es in der Theologensprache heißt, verprellte er fast alle.

Zunächst die Muslime mit der Regensburger Rede. Sie charakterisierte den Islam, im Gegensatz zum Christentum, als so irrational wie gewaltaffin. Die Wut der muslimischen Welt konnten seine etwa zwei Andachtsminuten in der Blauen Moschee Istanbuls kaum besänftigen.

Es folgte die Brüskierung der Juden durch gleich mehrere Großtaten: Offenbar eigenhändig verschlimmbesserte Benedikt XVI. die sogenannte Karfreitagsfürbitte für die Bekehrung der Juden – was nichts anderes bedeutete, als dass das, theologisch gesprochen, weiter auserwählte Volk der Juden trotz ihres frommen Rabbiners Jesus von Nazareth eigentlich zu missionieren sei. Er rehabilitierte mit Bischof Richard Williamson einen notorischen Antisemiten und Holocaust-Leugner, was selbst die Pfarrerstochter Angela Merkel zu einer öffentlichen Rüge des Papstes veranlasste. Benedikt XVI. trieb das absurde Seligsprechungsverfahren für Papst Pius XII. voran, der zum Holocaust schwieg, auch wenn der Vatikan dieses religiöse, politische und moralische Versagen jüngst ganz anders zu deuten versucht.

Der Papst empörte schließlich die Protestanten, indem er das Papier „Dominus Iesus“ 2007 bekräftigte, das den evangelischen Kirchen schlicht ihr Kirche-Sein absprach.

Erst machte er die Muslime wütend, dann brüskierte er die Juden

Und nach innen? Nur Katastrophen

Der Dialog mit der Welt ist also gründlich gescheitert – aber auch nach innen ist die Bilanz katastrophal. Die moderneren Katholiken mussten sich damit abfinden, dass er die alte, tridentinische Messe wieder de facto als gleichberechtigt einstufte. Und damit die priesterzentrierte Liturgie wieder aufwertete, die im sinnbildlichen Widerspruch zum Zweiten Vatikanischen Konzil (1965 bis 1968) steht, das das Kirchenvolk erstmals nach Jahrhunderten wieder ernst nahm. An die so nötige Reform zumindest der immer noch absolutistisch organisierten Kurie hat er sich gar nicht erst herangetraut. Den dynamischen Süden der Welt, wo etwa drei Viertel der Katholiken leben, hat er bei seinen dreizehn Auslandsreisen seltsamer Weise links liegen gelassen – bis auf zwei nur halb geglückte Reisen nach Afrika und Brasilien, wo er obendrein mit skandalösen Aussagen zu Kondomen und zur angeblichen Sehnsucht der vorkolumbianischen Indios nach der Kirche für mächtig Ärger sorgte.

Und im Norden? Als Mittel gegen den Priestermangel fiel Benedikt XVI. wenig mehr ein als Beten. Nun brüskiert der Papst die letzten Treuen mit seinem öffentlichen Schweigen zum Missbrauchsskandal in seiner Heimat.

Fünf Jahre Benedikt XVI. – das ist kein Grund zum Feiern. Es sind fünf verlorene Jahre, denn die Kirche hat unter ihm ihr menschliches Antlitz, auch ihre Kraft für die großen Bilder verloren. Sicher nicht für immer, aber derzeit gründlich. Joseph Ratzinger hätte den Job Papst vor fünf Jahren nicht annehmen, sondern Bücher schreiben sollen, wie er es ursprünglich geplant hatte. Der Kirche und der Welt wäre vieles erspart geblieben. Und ihm auch.