NRW setzt auf die Straße

Städte und Kommunen wollen den Erlass des Innenministeriums umsetzen und private Wettbüros schließen. Tausende Arbeitsplätze gehen verloren. Vor allem Migranten sind betroffen

VON HOLGER PAULER

Die NRW-Städte rüsten sich zum Kampf gegen private Wettanbieter. „Der Erlass des Innenministeriums liegt vor“, sagte der Rechtsdezernent der Stadt Dortmund, Wilhelm Steitz gestern zur taz. NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) hatte am Donnerstag die Bezirksregierungen aufgefordert, „konsequent gegen die illegale Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten“ vorzugehen (taz berichtete). Die Regierungspräsidenten leiteten die „Ordnungsverfügungen“ sofort an die Kommunen weiter. „Das war eine klare Ansage“, so Steitz. Die Stadt werde während der Osterferien „eine Linie erarbeiten“, wie sie mit ihren 60 Wettbüros umgehen werde.

In den übrigen Städten wird es ähnlich aussehen. Private Wettanbieter müssen mit Post und Hausbesuchen der örtlichen Ordnungsbehörden rechnen. Welche Ausmaße die Aktionen annehmen werden, lässt sich nur erahnen. Landesweit entstanden innerhalb der vergangenen zwölf Monate hunderte privater Wettbüros. Die Zahl dürfte mittlerweile in die Tausende gehen. „An jedem Büro hängen drei bis vier Arbeitsplätze“, sagte der Vorsitzende des Deutschen Buchmacherverbandes, Norman Albers. Hochgerechnet auf NRW liegt die Zahl der Beschäftigten im fünfstelligen Bereich.

Ein Großteil der Betreiber der Wettbüros hat einen Migrationshintergrund. Bei den Mitarbeitern sieht es ähnlich aus. Der Essener Ahmet Saglam beschäftigt in den 142 Filialen seiner Wettbüro-Kette „Web@win“ 500 Mitarbeiter. Diese werden „bis zum Ende kämpfen“, sagte Saglam gegenüber der NRZ. Lange hat der Staat zugesehen, wie sich eine Markt in der gesetzlichen Grauzone etabliert, nun will er ihn zerschlagen. Konflikte scheinen vorprogrammiert.

„Das ist kein Thema der Migrationspolitik“, sagte der sportpolitische Sprecher der Grünen im Landtag, Michael Vesper. Er sei im Prinzip dafür, dass die „illegalen Büros“ geschlossen werden. Private Wettanbieter leisteten keine Abgaben an das Gemeinwohl, „sie arbeiten in der rechtlichen Grauzone“.

Die Anbieter hatten gehofft, dass das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe den Wettmarkt liberalisiert und das staatliche Wettmonopol kippt – leider vergebens. Die alte Regelung bleibt vorerst in Kraft. Der Staat muss allerdings mehr zur Vorbeugung der Spielsucht tun oder eben – wie es das EU-Recht vorsieht – die private Wettanbieter zulassen.

„Der Schaden für die Volkswirtschaft ist beträchtlich“, so Albers. Die Leute würden nun ihre Wetten übers Internet bei ausländischen Anbietern lancieren. Wie viel Geld an den privaten Wettbüros hängt, lässt sich noch nicht einmal vermuten. „Zum Thema Sportwetten gibt es keine Daten und Statistiken“, sagte Joachim Schmidt, Sprecher des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung.

Wie der Erlass umgesetzt wird, weiß noch niemand. „Wir werden mit Polizei und Staatsanwaltschaft eine gemeinsame Strategie überlegen“, sagte der Dortmunder Rechtsdezernent Wilhelm Steitz. Ob die Schließung direkt vollzogen werde, oder ob man erst die zu erwartenden Widersprüche abwarten müsse, sei noch nicht klar. „Alle wussten, dass es illegal ist“, so Steitz. Laut Erlass muss auch die Werbung für Wettanbieter wie „betandwin“ aus den Bundesligastadion verschwinden. „Wir werden die Werbung im Westfalenstadion demnächst wohl abmontieren“, so Steitz.