Erfindergeist vor dem Flachbildschirm

„Wir machen auf jeden Fall weiter – Irgendwie.“ Ein Besuch in bedrohten Düsseldorfer Wettbüros

DÜSSELDORF taz ■ Die Filiale in der Düsseldorfer Innenstadt ist ein halbes Jahr alt. Fünf Männer sitzen an einem Tisch. Missmutig, denn die Kaffeemaschine ist kaputt. Die Flachbildschirme an der Wand sind am Vormittag noch ausgeschaltet, neben ihnen hängen ein Foto des Schalker Stürmers Ebbe Sand und ein grellbuntes Plakat, das mit „Bestimmungen zum Jugendschutz“ überschrieben ist. „Wir haben von der neuen Politik gehört. Dazu sagen wir aber nichts“, brummt ein massiger Mitarbeiter über die Theke. 100 Kilo weisen den Weg zur Tür: „Raus!“

Der Chef, ein schmaler Türke mit Baseballkappe und Augenringen, ist schon vorher gegangen. „Termine, muss weg, keine Zeit.“ Nur so viel: „24 bin ich. Ich hab mich nach der Ausbildung schnell selbstständig gemacht. Läuft gut.“ Seine Familie betreibe 165 Wettbüros in Deutschland, sagt er. Wie lange er sie noch haben wird, sagt er nicht.

Die private Wettszene ist ängstlich geworden, seit die Politik das staatliche Wettmonopol mit Polizeigewalt durchsetzen möchte. Hundert Meter die Straße herunter sind die Aushänge an der Wand auf kroatisch verfasst, die Botschaft ist dieselbe: „Wir wissen nichts. Und wir sagen auch nichts zur Politik.“ Hier laufen die Flachbildschirme schon vormittags. Männer füllen Tippscheine aus. Gewettet wird auf Fußball, Eishockey, Hunderennen.

Fünf Wettbüros drängen sich auf dreihundert Metern Straße. Das älteste ist gerade einmal zwei Jahre alt. „Die besten Zeiten sind sowieso vorbei. Zu viel Konkurrenz. Dauernd macht ein Laden auf und ein anderer zu“, sagt der Gastgeber. Seinen richtigen Namen möchte er nicht in der Zeitung lesen, „schreiben sie Masud“. Also Masud. Er ist Kurde, die Lizenz für das Büro kommt aus Österreich. Akzeptiert haben die deutschen Behörden den Betrieb nie – aber geduldet. „Es war immer ein Kleinkrieg.“ Er glaubt nicht, dass sich mit der neuen Politik viel ändert. „Wir machen weiter. Irgendwie. Private Wetten lassen sich nicht mehr aufhalten.“

Dass die Politik seinen Laden schließen und nur noch die staatliche Oddset-Wette erlauben will, kann er nicht verstehen. Seine These: „Die warnen jetzt nur vor der Sucht, weil sie verdecken wollen, dass Oddset Spiele manipuliert. Das ist reines schlechtes Gewissen.“ Das mit der Sucht möchte Masud ja überhaupt nicht bestreiten. „Wetten ist die reinste Droge. Ich hab‘s selbst neun Jahre lang gemacht“, sagt er. Angefangen hat es mit handschriftlich bekritzelten Zetteln in den Hinterzimmern von Kneipen, nun umgeben ihn teure schwarze Ledersessel. Vor einem Jahr hat er mit dem Wetten aufgehört. „Weil die Spiele sowieso manipuliert werden. Ich bin doch nicht blöd und verbrenne mein Geld.“ Er hat die Seite gewechselt, er verbrennt jetzt das Geld von anderen.

Masud hätte sich einen Kompromiss mit der Politik gewünscht. „Wir hätten ja eine Sonderabgabe zahlen können oder so.“ Doch vorbei, bald kommt das Ordnungsamt. Angst hat er davor nicht. Wetten war für ihn schon immer ein Spiel mit der Legalität, und er ist stolz darauf. „Wir geben unseren Laden nicht auf. Dann machen wir eben ein Internetcafé daraus.“ Er kenne hunderte Wettprogramme und habe auch eine eigene Software entwickelt. „Die melde ich dann im Ausland an. Wenn die Leute dann im Internetcafé auf die Homepage gehen, kann ich das ja nicht kontrollieren. Ein Wettbüro ist mein Laden dann jedenfalls nicht mehr.“

Ein paar Häuser weiter leuchten Flachbildschirme durch verdunkelte Scheiben. Hunde rasen über den Bildschirm, Männer rauchen und füllen Tippscheine aus.

KLAUS JANSEN