Her mit dem Transrapid!

Eine Testfahrt mit dem deutschen Hochgeschwindigkeitszug in Schanghai

PEKING taz ■ Brauchen wir eigentlich den Transrapid? Ja, sagte Wirtschaftsminister Glos neulich zur Passauer Neuen Presse, denn es sei „unerträglich, dass man erst nach Schanghai fliegen muss, um den Transrapid in der Praxis zu erleben“. Dort werden Fahrgäste seit Ende 2003 mit der von Thyssen-Krupp und Siemens gebauten Magnetschwebebahn vom Flughafen Pudong zur Longyang-Station geschossen, wo man dann Anschluss an die U-Bahn hat.

Nein, brauchen wir nicht, erklärt einem jeder Schanghaier Taxifahrer. Das Taxi fährt rund 45 Minuten von der Innenstadt zum Flughafen. Mit dem Transrapid ist man kaum schneller. Erst muss man nämlich mit dem Taxi oder der U-Bahn vom Zentrum zum außerhalb gelegenen Bahnhof fahren, dort nach einem Gepäckscan bis zu 20 Minuten auf dem Bahnsteig warten und am Zielort schließlich noch durch lange Gänge bis zur Abfertigungshalle marschieren.

Auch finanziell lohnt sich die Fahrt mit dem „fahrplanmäßig schnellsten spurgebundenen Fahrzeug der Welt“ (Wikipedia) kaum. Schon wer zu dritt mit dem Taxi fährt, zahlt kaum mehr als mit dem Schwebezug (40 bis 50 Yuan = 4 bis 4 Euro), zu viert fährt man sogar billiger. Deshalb bleibt der Zug, der eigentlich 574 Passagieren Platz bietet, auch oft ziemlich leer.

Wer aber trotzdem mit dem Schwebeding fährt, das man hier „Cixuanfu Lie Che“ oder auf gut Englisch „Maglev“ nennt, der tut das zu seinem Vergnügen. Das beginnt bereits auf dem mit roten Samtkordeln geschmückten Bahnhof, wo der einfahrende Zug vom strammstehenden Stationsvorsteher mit der Hand an der Schirmmütze begrüßt wird. Sofort stellen sich die Passagiere der Reihe nach vor das Teil, das früher einmal Lok hieß, und fotografieren sich gegenseitig die Seelen aus dem Leib.

Im Zug starrt dann jeder auf die Leuchtdiodendisplays, die die Geschwindigkeit anzeigen. Ab etwa Tempo 300 beginnt das Geschoss, in dem man sitzt, zu rumpeln und zu pumpeln. Der Transrapid schwebt gar nicht so lautlos vor sich hin, wie immer behauptet wird und vom Fahrgast eigentlich erwartet. Der Grund? Die sparsamen Chinesen, so erklären Eingeweihte, haben einfach ein paar teure technische Teile nicht einbauen lassen, die die Fahrt sanfter machen. Das klingt mehr als glaubhaft, zumal in China zu einem guten Spaß auch immer etwas Getöse gehört.

Bei Tempo 430 – der momentanen Spitzengeschwindigkeit – erhebt sich alles von den blau gepolsterten Sitzen, denn jetzt muss noch mal geknipst werden: Die Freundin, die sich auf wackeligen Beinen unter dem Geschwindigkeitsdisplay aufbaut, die Autos, die auf der parallel verlaufenden Autobahn fast zu stehen scheinen, obwohl sie doch selbst mit einiger Geschwindigkeit fahren. Manch einer linst auch durch die Glastür zur Führerkabine. Da hat man eine extra hübsche Fahrerin hineingesetzt, die allerdings nichts weiter tut, als eine adrette Uniform zu tragen und unverwandt auf zwei Monitore zu kucken. Groß ist die Enttäuschung allerseits, wenn der Zug nach rund einer Minute voller Fahrt wieder abbremst und der ganze Hochgeschwindigkeitsspaß nach nur 32 Kilometern und mageren 7 Minuten 20 Sekunden leider zu Ende ist.

Brauchen wir den Transrapid? Ja, sagt die Bundesregierung. Sie hat den Transrapidbau als ein vordringliches Ziel in den Koalitionsvertrag geschrieben. Ja, sagen auch die Chinesen. Wie in der vergangenen Woche endgültig verkündet, werden sie noch in diesem Jahr mit der Verlängerung der Schwebebahnstrecke in die 175 Kilometer entfernte Stadt Hangzhou beginnen. Ja, sagen auch wir, denn im Transrapid durch die Gegend zu schweben, ist eine tolle Sache. Nur sollte die Fahrt länger dauern, damit man auch wirklich was davon hat. Eine ideale Fahrtzeit wäre zum Beispiel die der S-Bahn vom Hauptbahnhof München bis zum Flughafen im Erdinger Ried. Im Moment sind das 42 Minuten. Wenn es dann noch einen Speisewagen und eine Raucherlounge gäbe, wäre der Transrapid perfekt. CHRISTIAN Y. SCHMIDT