Kriegsmarine gegen Flüchtlinge

Wie Spaniens Militär im Atlantik vor den Kanaren Bootsflüchtlinge aus Afrika abwehrt

MADRID taz ■ Die Lage im Meer vor den Kanarischen Inseln beruhigt sich nicht. Tag für Tag versuchen afrikanische Immigranten von Mauretanien aus zum Vorposten Europas zu gelangen. Erstmals wurde jetzt neben den Cayucos – kleinen Fischerbooten mit Außenbordmotoren, die üblicherweise die gefährliche Reise von Afrika auf die Inseln wagen – auch ein großes Schiff mit Flüchtlingen an Bord gesichtet. Es irrt seit dem Wochenende zwischen der afrikanischen Küste und den Kanaren hin und her. Die spanische Luftwaffe überfliegt das Gebiet. An Bord des Schiffes sollen sich mindestens 500 Flüchtlinge befinden. Auf dem Deck seien außerdem kleinere Boote auszumachen.

Seit 1999 erreichten 100.000 Flüchtlinge auf dem Seeweg die Südküste der iberischen Halbinsel und die Kanaren. Die Route von Afrika auf die Inselgruppe im Atlantik wird immer wichtiger, seit die Meerenge von Gibraltar sowie die Grenzzäune der beiden spanischen Enklaven in Marokko, Ceuta und Melilla mit modernster Technik abgeschottet werden. In den ersten drei Monaten diesen Jahres erreichten 3.725 Flüchtlinge die Kanarischen Inseln – dreimal so viele wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Die Reise, für die Schlepper um die 1.000 Euro verlangen, ist für viele Flüchtlinge ihre letzte. Allein im November und Dezember 2005 sollen laut mauretanischer Regierung zwischen 1.200 und 1.700 ihr Leben im Atlantik verloren haben.

„Wir haben alle Mittel, über die wir verfügen, im Einsatz“, erklärte Spaniens Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero in einer parlamentarischen Fragestunde. Die spanische Kriegsmarine ist mit mehreren Schiffen im Gebiet zwischen den Kanaren und Mauretanien unterwegs. Sie soll neben den mauretanischen Streitkräften auch mit denen von Marokko und Äquatorial-Guinea in Verbindung stehen. Das hat Verteidigungsminister José Bono laut Presseberichten am Donnerstag dem Geheimdienstausschuss des spanischen Parlamentes bestätigt. Der Armee Mauretaniens wurden „auf Kosten des Entwicklungshilfefonds“ vier Patrouillenschiffe überlassen, mit der sie jetzt die Küste überwacht. Außerdem wird Spanien mauretanische Grenzschützer ausbilden. Ende März reisten 35 spanische Soldaten in die nordmauretanische Küstenstadt Nouadhibou, von wo aus ein Großteil der Flüchtlinge auf die Kanaren übersetzt. Die Spanier bauten dort eine leer stehende Schule zum Auffanglager um.

Insgesamt sollen mehrere hunderttausend Schwarzafrikaner in Mauretanien auf ihre Überfahrt auf die Kanaren warten. Die Auffanglager auf den Kanarischen Inseln sind mit 2.200 Insassen restlos überfüllt. Nachdem Mauretanien ein Rücknahmeabkommen mit Spanien wieder in Kraft gesetzt hat, wurden in den letzten Tagen die ersten 170 Flüchtlinge aus den Kanaren wieder nach Mauretanien ausgeflogen. Sie stammen aus dem Senegal und aus Mali. Flüchtlinge aus anderen Ländern akzeptiert Mauretanien bisher nicht. Die Betroffenen warten in Lagern nahe der Hauptstadt Nouakchott auf die Abschiebung in ihre Heimatländer.

„Im Gegensatz zu den Abschiebungen nach Marokko im vergangenen Herbst respektiert die spanische Regierung dieses Mal das Recht auf Asyl“, erklärt der Sprecher des UN-Flüchtlingskommissariats (UNHCR) in Madrid, Carlos Boggio. Flüchtlinge aus Ländern mit zweifelhafter Sicherheitslage wie die Elfenbeinküste würden auf keinen Fall abgeschoben. Alle Flüchtlinge würden in den Lagern auf den Kanaren umfangreich über das Asylrecht informiert. „Bisher gingen 20 Asylanträge ein“, weiß Boggio, der die neue Flüchtlingspolitik auf die Proteste des UNHCR zurückführt, als im vergangenen Jahr auch anerkannte politische Flüchtlinge abgeschoben wurden. REINER WANDLER