Böse gezeichnet, in Ironie stecken geblieben

REZENSION Der Band „Prost Wahlzeit“ karikiert Merkels Wischiwaschistil, ohne ihre politische Härte darstellen zu können

Heruntergezogene Mundwinkel. Rettungsring. Großer Vorbau. So wird die Bundeskanzlerin Angela Merkel in den Karikaturen von NEL, Thomas Plaßmann, Heiko Sakurai und Klaus Stuttmann in dem Buch „Prost Wahlzeit!“ gezeichnet. Zu böse?

Wohl kaum. Die Karikaturisten decken erst einmal genau den Politikstil der Bundeskanzlerin und CDU-Chefin auf. Sie ist immer die Aussitzerin. Die Vermittlerin. Die Widersprüchliche. Und die Machtgeile – zumindest in den Augen der Karikaturisten.

Merkel gezeichnet mit Schild. „Occupy Myself“ steht drauf. Merkel in ihrem Sessel mit Handraute. Hinter sich die Wand voller Urkunden. „Königin der CDU“, „Chefin Europas“, „Mutti von Schwarz-Gelb“. Und „neu! Ersatzbundespräsidentin“. „In einem Jahr hat Deutschland die Wahl: Schwarzer Hosenanzug? Gelber Hosenanzug? Roter Hosenanzug?“ Die Künstler gehen dabei thematisch vor. Familie & Bildung, Gesundheit & Pflege und Eurokrise sind einige der besprochenen Gebiete. Und Angela Merkel?

Lassen die Karikaturisten Merkel so schlecht aussehen, weil sie mit männlichem Blick zeichnen? Dieser Vorwurf ist leicht aus der Welt zu schaffen. Dafür reicht es, sich eine Karikatur von Rainer Brüderle anzuschauen. Der FDP-Spitzenkandidat im Anzug, in der Hand ein Weinglas, aus der Hose schaut sein Penis raus. Bildunterschrift: „Das neue Gesicht der FDP…“.

Und dann wieder Merkel. Die Kümmerin, auf fast jeder Seite. Sie hat Europa im Griff, und Deutschland sowieso. Dank ihr ist dieses Land so schön. Dank ihr geht es uns allen so gut. Ja, die ironische Brechung, mehr als deutlich. Das ist grandiose Satire.

Was allerdings in den Karikaturen nicht transportiert wird, das ist Angela Merkel als knallharte Politikerin. Ihr Wischiwaschikurs („Energiewende Ja? Energiewende Nein?“, „Homoehe Ja? Homoehe Nein?“) verschleiert ja nicht nur den Wunsch nach Machterhalt, sondern er zeugt auch von Durchsetzungsfähigkeit. Ein Stil, der vordergründig nicht mehr reaktionär wirkt, allerdings hintergründig mehr als nur konservativ ist.

Mutti versus knallharte Politikerin also. „Prost Wahlzeit!“ ist eine wunderbare Rückschau, die das politische Jahr 2013 vergegenwärtigt. Gleichzeitig ist dies ein Wahlhelfer, der pointiert zeigt, was die Parteien wirklich zu bieten haben. ENRICO IPPOLITO

■ „Prost Wahlzeit!“ von NEL, Thomas Plaßmann, Heiko Sakurai und Klaus Stuttmann, Schaltzeit Verlag 2013, 14,90 Euro