Erst einmal kein Geld

AUS BRÜSSEL DANIELA WEINGÄRTNER

Britische Diplomaten in den Brüsseler Büroetagen ließen die Nachricht gestern durchsickern: Beim Außenminister-Treffen am Montag in Luxemburg würden sämtliche Direktzahlungen an die Palästinensische Autonomiebehörde gestoppt. Eine Sprecherin der EU-Außenkommissarin bestätigte am Mittag: „Zunächst gibt es keine Direktzahlungen an die Palästinensische Autonomiebehörde (PA).“

In normalen Jahren zahlt die EU 250 Millionen Euro an Hilfsgeldern und Direktzuschüssen für die PA. Noch mal so viel legen die Mitgliedstaaten drauf. Für das laufende Jahr sind Kommissionsangaben zufolge 121 Millionen freigegeben, 64 Millionen davon über die UN-Hilfsorganisation UNRWA. Diese Summe könnte ausnahmsweise aufgestockt werden, um die humanitäre Notlage zu mildern, die durch den Stopp der Direktzahlungen entstanden ist. So liegen 25 Millionen Euro, für Gas- und Stromrechnungen eingeplant, ebenso auf Eis wie 35 Millionen aus einem der Weltbank übertragenen Fonds. Die Nachrichten sind also widersprüchlich.

Die EU-Kommission, die sonst immer dafür gescholten wird, gegenüber der PA zu nachgiebig aufzutreten, muss sich nun den genau gegenteiligen Vorwurf aus einigen Mitgliedstaaten anhören: „Es würde ein falsches und sogar brutales Signal senden, wenn die EU Direktzahlungen stoppen würde, ohne Ideen zu entwickeln, wie die Hilfe auf anderen Wegen zu den Menschen gebracht werden kann“, fasst die Financial Times den Standpunkt von London und Paris zusammen.

Auch der außenpolitische Vertreter der EU, Javier Solana, hatte schon am Mittwoch im Plenum des EU-Parlaments gesagt, die EU arbeite nicht auf ein Scheitern der Hamas-Regierung hin. Sie solle nur dazu gebracht werden, die Grundlagen des Friedensplans zu akzeptieren, sich an rechtsstaatliche Regeln zu halten und „die pluralistische Natur der palästinensischen Gesellschaft aufrecht zu erhalten“. Eines der Schlüsselziele der EU sei es, „das Verwaltungsgefüge der Autonomiebehörde zu erhalten, das wir mit so viel Energieaufwand und Geld aufgebaut haben und dessen Fortbestand unerlässlich ist, wenn ein demokratischer, unabhängiger palästinensischer Staat eines Tages Realität werden soll“, sagte Solana.

Für das Kunststück, den palästinensischen Staat am Leben zu halten, ohne der Hamas Geld in die Hand zu geben, soll Außenkommissarin Ferrero-Waldner einen Plan vorlegen. Das nimmt Zeit in Anspruch. Deshalb sind von dem Außenminister-Treffen am Montag noch keine endgültigen Entscheidungen darüber zu erwarten, wie es mit der Direktbeihilfe weitergehen soll. Die Minister werden ein weiteres Mal mit dem völligen Zahlungsstopp drohen und darauf hoffen, dass die Hamas auf eine akzeptable Linie gegenüber Israel einschwenkt. Auch eine Mahnung an Israel enthält der Entwurf für die Schlusserklärung. Tel Aviv wird aufgefordert, Zoll- und Steuereinnahmen für Waren aus den palästinensischen Gebieten von monatlich 50 Millionen Euro endlich auszuzahlen.

Solange die Hamas Israel nicht anerkennt, wird die Quarantäne-Politik gegenüber der neuen palästinensischen Regierung fortgesetzt. Ein französischer Diplomat sagte gestern, zur nächsten Sitzung des Europarats in Straßburg solle die PA lieber einen Abbas-Vertrauten schicken, da ein Hamas-Politiker nicht mit einem Visum rechnen könne. Auch künftige Euromed-Konferenzen, in denen die EU mit den Mittelmeerstaaten verhandelt, könnten sich unter den jetzigen Umständen zu einem diplomatischen Minenfeld entwickeln.