Um eine Hoffnung ärmer

MÄNNERFUSSBALL Hertha BSC kann auswärts gegen Eintracht Frankfurt nur ein 2:2 rausholen

Hertha wackelt. Wird nicht besser. Lieber Baketballfan werden

Eineinhalb Minunten vor Spielbeginn: Sieht so aus, als ob hier im Abstiegsfall niemand anfangen würde zu heulen: Zumindest in den seltenen Herthakneipen in Kreuzberg 61 sind Herthafrösche die Kinder von Zugezogenen. Der Rest guckt Werder, Schalke, HSV oder (eventuell) Mainz. Bedeutet: Herthafan kann man nur als gebürtiger Berliner oder zugezogener Ausländer aus Fußballländern sein.

1 Minute vor Anpfiff: Rodlerin Tatjana Hüfner bringt den Ball, begrüßt höflich Schiri Brych, rodelt vom Feld. Anpfiff, Kneipe schläft anscheinend noch, junges Gemüse sucht sich Plätze zwischen Freunden ihrer Eltern. Am Nebentisch wird über das DSDS-Finale gegackert, nehmen die das überhaupt ernst? Hallo, drohender Abstieg!? Ignorantes Volk. Zuviel los in Berlin.

3. Minute: bejubelte Freistoßankündigung für Hertha, ausgeführt von Raffael, der schießt aber ganz woanders hin, danach Geklatsche aus dem ominösen Vorraum der Kneipe, in dem anscheinend Frankfurtfans toleriert werden, diese ekelhaft geduldigen Großstädter, brauchen die Hertha gar nicht so sehr wie Provinzkäffer, die außer Fußball nicht viel zu bieten haben - was bitteschön kann einen denn sonst noch an Frankfurt reizen? Oder an Gelsenkirchen?

3,44 Minute: kurze Tempoerhöhung bei Hertha, vor dem Tor tote Hose, aber immerhin grölt der für die Stimmung unabkömmlich klasssiche Kneipenschreihals Fangesänge mit

4,46: Herthaner tricksen sinnlos, Fans saufen sich das schön. 5.04: erste Torchance. 8.19: Torchance Frankfurt, Totenstille in der Kneipe, nicht mal der Gröler muckst. 10.24: Chance Hertha, scheitert an Zuspiel ins Leere - spielt doch schneller, schlägt einer vor.

13.13: Eintracht wird besser. 16.50: köpft Kacar das erste Tor, und Kneipe wacht endlich auf, genau wie die Muskelpakete in Frankfurt. 22.40: der Kneipengröler versucht sich einsam in verschiedenen Anfeuerungssprüchen, ruft altmodisch „Ab die Luzie!“, nützt nix. 17.55: die ersten Schnäpse werden gereicht. 25.13: Skibbe fummelt in Großaufnahme am Hosenschlitz, aber es wird nur verhalten gekichert, prüde issa ja nich, der Ballina

36.59: Ausgleich durch Korkmaz, Kneipe spiegelt Spielfeldstimmung. 42. Minute: Versiebter Elfmeter der Eintracht, hihi. 42.03: 2:1, die Dämme brechen, und die Kneipe schreit wie aus einer Kehle: „ein Raffaello!!“

PAUSE

53. Minute: Publikum wird sauer, hüben wie drüben. 56. Minute Torschance daneben, der mit der Fahne der nervt! findet der Kneipengröler. 57.59: hätte die „Pissnelke“ ne Karte geben sollen 61. Minute Herthakeeper hält zaghaften Schuss dann Innenverteidiger Russ verwandelt Freistoß, 2:2!!

Die Herthaner stehen einfach nie da wo sie sein sollen, murmelt man am Nebentisch. 66: Minute - Hertha immer fahriger, Kneipe wieder leiser und saurer. 70. Minute: Freistoß für Frankfurt, aufpassen! „Ihr mit eurem Scheissunvermögen!“ ärgert sich ein Fan. 77. Minute: der Schiri ist ein elender „Pfeifenlutscher“, findet man laut.

80. Minute: saftlose Ecke von Hertha. 85. Minute: wieder versiebt die Hertha ne Chance, das ärgert die Frösche. 88. Minute: versemmelt - nach Spitzenvorlage wieder keiner vor dem Tor, danach hält der Keeper, Kneipe stinksauer. 90. Minute: Freistoß für Hertha, Wechsel bei Frankfurt, Gelbe Karte für Chris, aber nix ändert sich Die Kneipenbesucher streichen sich kollektiv über die beginnenden Glatzen und das Haargel. danach schnellstens kollektiver Rückzug. Hertha wackelt. Wird nicht besser. Lieber Baketballfan werden. JENNY ZYLKA