Keine Kompromisse mehr

HAUSBESUCH Der Garten japanisch, das Haus voller Fische. Bei Familie Brockmann in Peitz

VON SUSANNE MESSMER
(TEXT) UND AMÉLIE LOSIER (FOTOS)

Landkreis Spree-Neiße, Peitz in der Niederlausitz, 4.420 Einwohner. Zu Hause bei Birgitta (51) und ihren Söhnen Jasper (16) und Oscar (19), der auf dem Weg nach Indien ist, zum Freiwilligen Sozialen Jahr.

Draußen: Ein Holzhaus mit blauen Fenstern, große Teile des Grundstücks sind angelegt wie ein japanischer Garten: heller Kies, große Steine, wenig Blumen (Birgitta: „im Sinne des Zen“). Hohe Bäume, ein „geschlitzter Fächerahorn“, Schilf, der Rasen vermoost. Ein Holzsteg führt von der Gartentür bis zum Haus (Birgitta: „Hier trinke ich oft meinen Espresso und stelle mir vor, ich säße am Meer“).

Drin: Der Flur ist in Grasgrün gehalten, die Küche in Orange, das Bad unten in Rot, das oben in Gelb und Blau. Im Wohnzimmer: großes Ecksofa und Atelier mit Staffelei, Farbtuben und Pinseln. Im ganzen Haus bunte Bilder von fröhlichen Fischen, die Birgitta malt: „Das kam so über mich. Es ist wie eine Sucht.“ Nur die Zimmer der Jungs sind frei von Fischen. Auf dem Esstisch in der Küche: Ein Roman von Jostein Gaarder, eine halbe Nougat-Buttercremetorte und kleine Servietten mit Kaffeebohnen-Motiv.

Wer macht was? Birgitta ist seit 1991 Juristin bei der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, ihre Beförderung zur Regierungsdirektorin hat sie sich „erkämpfen müssen“. Seit 2001 ist sie Gleichstellungsbeauftragte und hält auch Vorträge zum Thema – über die männliche Sprache, sexuelle Belästigung oder Mobbing am Arbeitsplatz. Jasper besucht die zehnte Klasse des Gymnasiums in Cottbus, spielt Klavier, lernt Gitarre und liest viel, im Augenblick am liebsten historische Bücher – zuletzt über die Geschichte des Kongo.

Wer denkt was: Jasper: „Habe letztens einen Tanzkurs gemacht, aber zu wenig geübt.“ Und sonst? „Ich habe mich über die Wahlplakate der CDU geärgert. Sätze wie ‚Deutschland ist stark und soll es bleiben‘ – das heißt ja gar nichts.“ Birgitta hat sich über einen Zeitungsartikel aufgeregt, in dem Jens Weidmann, der Bundesbankpräsident, zitiert wird, man wolle dort keine Quote: „Die Bundesbank hat wie jede Bundesbehörde seit 2001 eine Quote“ – die aus dem Bundesgleichstellungsgesetz. Birgitta: „Dieses Instrument ist nicht gewollt.“ Nicht mal von den Frauen? „Die haben nicht begriffen, dass sie aufgrund ihres Geschlechtes benachteiligt werden und es nicht um ihre Leistung geht. Stattdessen suchen sie noch immer nach der Anerkennung der Männer. Sie wollen gar nicht gleichberechtigt sein.“ Birgitta fühlt sich oft wegen ihrer Meinungen bekämpft. „Daher interessiere ich mich so für die Gedankenwelt des Zen: Indem ich die Dinge so lassen kann, wie sie sind, schreite ich voran.“

Jasper: Engagiert sich in der katholischen Kirche, so wie sein Bruder. Wollte mal Kapitän werden. „Aber ich glaube, der Markt gibt das nicht so her.“ Hat noch „gar keine Ahnung“, was er später machen soll.

Birgitta: Kommt aus Vechta in Süd-Oldenburg („einer der schwärzesten Flecken des Landes“). Wurde ebenso konservativ wie katholisch erzogen. Mutter Hausfrau, Vater Anwalt. Zunächst Physikstudium, dann Jura, Einstieg in der Kanzlei des Vaters, bis dessen Sozis deutlich machten: keine Nachfolgerin, nur Nachfolger. Danach Cottbus. „Anfangs schrecklich. Ich hatte ein Jahr lang kein Telefon. War eine typische Besserwessitante.“

Das letzte Date? Jasper: „Hm.“ Birgitta: Hat seit einem Jahr einen Mann, mit dem sie sich regelmäßig trifft. Er wäre gern beim Hausbesuch dabei gewesen, aber Birgitta wollte das nicht. Sie hat 20 Jahre mit Jaspers und Oscars Vater zusammengelebt, vor 12 Jahren die Trennung. „Ich will gerade keinen Lebensabschnittspartner im Haus. Ich will keine Kompromisse mehr.“

Einsam? Birgitta: „Nein. Ich habe es gelernt, mit mir selbst zurechtzukommen.“ Aber: „Ich möchte niemals auf Männer verzichten. Wie übrigens auch nicht auf Frauen.“ Nur: „Es ist unheimlich schwer, jemanden zu finden, mit dem man wirklich gleichberechtigt leben kann.“

Der Alltag: Birgitta steht gegen sechs Uhr auf („fünf, sechs Stunden Schlaf reichen mir“), schmiert Brote für Jasper und isst eine Zitrone mit Obst und Joghurt, während Jasper Zeitung liest. Dann fährt sie ihn in die Schule. Jasper nimmt gegen 15 Uhr den Bus zurück nach Hause, spielt Klavier oder liest. Birgitta kommt meist gegen fünf, halb sechs. Abends gemeinsames Essen. Birgitta: „Wir sind eine sehr kommunikative Familie.“ Wochenende? Jasper: „Lange schlafen! Ab und zu etwas unternehmen, am letzten Wochenende die Lange Nacht der Museen.“ Birgitta: „Ich tanze für mein Leben gern, gehe gern hotten. Bin sehr großer Technofan.“

Wie finden Sie Merkel? Jasper: „Sie hat zu viele Meinungen. Sie bekommt nichts mit.“ Und: „Ihr Gesicht sieht aus wie das von einem Paten. Zu kontrolliert.“ Birgitta: „Sie ist eine jener Frauen, die die Position eines Mannes eingenommen haben und dann verleugnen, dass sie Frauen sind. Sie tut für die Frauen gar nichts.“

Wann sind Sie glücklich? Jasper: „Wenn ich ausschlafen kann, die Schule ausfällt oder ein Test vorbei ist.“ Birgitta: „Wenn ich tanze. Wenn ich Fische male, am besten in netter Begleitung.“

Nächstes Mal treffen wir Katharina Nennewitz in Niederdünzebach. Wenn Sie auch besucht werden möchten, schicken Sie eine Mail an hausbesuch@taz.de