Kein großes Spiel

„Alles für diesen Sieg getan“: Nach einer Saison unter schlechten Vorzeichen holen die Handballer des HSV trotz mäßiger Chancenverwertung vor ausverkauftem Haus den DHB-Pokal

von CHRISTINA STEFANESCU

Da war dieser Siebenmeter in der 60 Minute: 25:25 stand es gestern im Finale des DHB-Pokals zwischen dem HSV Handball und der SG Kronau-Östringen. Eigentlich ein Geschenk. Doch werfen wollte so recht keiner. Zuvor waren bereits Torsten Jansen, Bertrand Gille, Markus Flohr und Roman Pungartnik an Kronaus Torwart Maros Kolpak gescheitert. „Wir haben uns angeguckt und da war es klar. Ich hab gesagt: ‚Auf, Roman!‘, und er hat‘s übernommen“, erklärte HSV-Trainer Martin Schwalb. Der Ex-Kieler Pungartnik schritt gen Siebenmeterstrich und traf: 26:25 für die Hausherren. Jetzt nur noch die letzten zwanzig Sekunden überstehen. Goran Stojanovic, der Torwart des HSV Handball, machte den Sieg schließlich perfekt. Er hielt den letzten Wurf des besten Torschützen des Final Four, Mariusz Jurasik. Die Schlusssirene.

HSV-Trainer Martin Schwalb rannte einfach los, auf der Suche nach einem zum Umarmen, stand Sekunden an der Auslinie gegenüber der HSV-Bank, ehe HSV-Präsident Andreas Rudolph ihn erblickte. Das Jubelknäuel perfekt machte Geschäftsführer Dierk Schmäschke.

Was die 12.950 Zuschauer zuvor in der ausverkauften Hamburger Color Line Arena gesehen hatten, war kein großes Spiel. Die SG Kronau-Östringen hatte Probleme mit der offensiven Deckung des HSV Handball, dieser mit seiner Chancenverwertung. Kronaus Torwart Kolpak verhindert allein in der ersten Halbzeit acht Treffer. Zur Halbzeit führten die Kronauer mit 10:9.

Aufregend war dieses Pokalfinale in den ersten 30 Minuten nicht, ganz anders in den zweiten 30: Das Spiel wurde härter, das Tempo höher. Und auch als der Bundesligaaufsteiger mit drei Toren führte (19:16, 46 Minute), gab sich der HSV nicht auf. Schwalb: „Wir haben alles für diesen Sieg getan.“ Und Siebenmeterheld Pungartnik, der in den letzten zehn Minuten allein fünf Treffer machte: „Wir waren zwar totmüde, aber scheißegal. Wir haben jetzt den Pott.“

Müde waren die Hamburger, weil bereits tags zuvor das Halbfinale gegen den SC Magdeburg viel Kraft gekostet hatte. Ein temporeiches Spiel, bei dem vor allem die Torleute glänzten. Und obwohl Magdeburg in der Bundesliga sechs Plätze über den Hamburgern steht, führten die in der 17. Minute mit 9:6 Toren. In die Halbzeit ging der HSV mit einer deutlichen Führung (16:13) und bestimmte auch nach der Pause das Geschehen. Als Magdeburgs Stefan Kretzschmar in der 43. Minute wegen eines rüden Fouls an Roman Pungartnik die rote Karte sah, glaubte keiner mehr daran, dass dieses Spiel noch einmal spannend werden könnte. Chancenauswertung mangelhaft, deshalb stand es sieben Minuten vor Schluss nur noch 29:27.

Letztlich verdankte der HSV seinen 31:30 Sieg Torwart Henning Wiechers. Der parierte in den letzten 12 Minuten drei Siebenmeter der Magdeburger. „Ich weiß auch nicht warum die nicht getroffen haben“, sagte Wiechers nach dem Spiel grinsend. „Die haben mir einfach gegen die Hand geworfen.“

Ein Satz, der am Samstag so auch von Maros Kolpak, Torhüter der SG Kronau-Östringen, hätte kommen können. Seine zahlreichen Paraden, darunter drei gehaltene Siebenmeter, und die 11 Tore von Mariusz Jurasik trugen gehörig zum Favoritensturz im zweiten Halbfinale bei. Der THW Kiel spielte ohne Kampfgeist, wie auch Trainer Noka Serdarusic nach dem Spiel bekannte: „Das sah nicht aus wie das Spiel des THW.“ Zwischenzeitlich führte Kronau gar mit 15:12 (28.), zur Halbzeit nur noch mit einem Tor (15:14).

Serdarusics Pausen-Appell an den Kampfgeist seiner Mannen währte nur 15 Minuten in deren Köpfen. Nach der Pause führte der THW schnell mit 22:17 (39.). Doch statt den Vorsprung zu halten, wurden zahlreiche Bälle vertändelt. Acht Minuten vor Schluss war der Vorsprung futsch (27:26), vier Minuten später führten dann die Kronauer (30:29). Hängende Köpfe bei den Kieler Spielern und ein kopfschüttelnder Manager Uwe Schwenker: 31:33 im Pokalhalbfinale gegen einen Bundesligaaufsteiger, das kann eigentlich nicht sein.

In eigener Halle holte nun der HSV den Pokal – und das nach dieser Saison: Nur 11 Siege in 25 Spielen, nur Platz 10 in der Tabelle. Zuvor das Hickhack um den ehemaligen Träger Omni Sport. Die finanziellen Probleme. Der Abgang von Bob Hanning. Nach einem schlechten Saisonbeginn die Verpflichtung von Martin Schwalb. Und jetzt dieser frisch versilberte Pokal und die Gewissheit, nächste Saison wieder international zu spielen. Mit einem Mal relativiert sich da so einiges. „Bei einem Titel in einer Saison kann man nur von einer guten Saison sprechen“, sagte Trainer Schwalb. Zumindest an diesem Sonntag wollte ihm da keiner widersprechen.