Alles im Fluss

Die Elbe schwillt noch immer an. Seit gestern auch Teile von Lauenburg überflutet. Noch keine Entwarnung in Hitzacker. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Carstensen fordert länderübergreifende Schutzmaßnahmen gegen Hochwasser

Von Sven-Michael Veit

Die Gefahr steigt langsam, aber unaufhörlich. Auf die Rekordmarke von 9,10 Meter stieg gestern der Pegel der Elbe in der Kleinstadt Lauenburg im Südosten Schleswig-Holsteins, noch zehn Zentimeter mehr sagt das Wasser- und Schifffahrtsamt für heute voraus. Das wäre ein halber Meter mehr als der der bisherigen Jahrhundertflut im August 2002 und rund doppelt so viel wie normal. Etwa 4.000 Kubikmeter pro Sekunde strömen zurzeit in Richtung Geesthacht (siehe Kasten), das ist etwa das Siebenfache der gewöhnlichen Wassermenge.

Die Folge: 100 Häuser in unmittelbarer Ufernähe stehen seit gestern Morgen unter Wasser, ein Hotel in der historischen Altstadt wurde wegen möglicher Einsturzgefahr vorsorglich evakuiert. Als größter Schwachpunkt gilt nun ein alter Deich am Lauenburger Hafen, wo der Elbe-Lübeck-Kanal einmündet. Wenn dieser brechen sollte, würde das Hochwasser fast 1.000 Hektar tiefer gelegenes Hinterland überfluten. Bedroht ist damit auch die Bahnlinie zwischen Lübeck und Lüneburg, die auf dem Deich verläuft.

Bundeskanzlerin Angela Merkel warf gestern zusammen mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff (beide CDU) aus sicherer Entfernung ein paar Blicke auf das seit Donnerstag unter Wasser stehende Hitzacker. „Das Hochwasser hat wirklich dramatische Ausmaße angenommen“, stellte sie fest. Im historischen Stadtkern auf einer Insel zwischen Elbe und dem Nebenflüsschen Jeetzel stieg der Pegel im Lauf des gestrigen Tages nur noch langsam um weitere vier Zentimeter auf 7,63 Meter.

Da in Sachsen-Anhalt die Wasserstände bereits allmählich zurückgehen, rechnen Experten nicht mehr mit beträchtlichen Steigerungen in Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Vor Mittwoch jedoch ist kein Sinken der Pegel zu erwarten. Das größte Problem dürfte mithin die Dauer des Hochwassers sein. Der über Tage anhaltende Druck der Wassermassen auf die Deiche droht diese aufzuweichen.

In den Landkreisen Lüneburg und Lüchow-Dannenberg gilt deshalb weiterhin Katastrophenalarm. Bundeswehr und Technisches Hilfswerk brachten bislang mehr als 1,3 Millionen Sandsäcke in die bedrohten Gebiete, mit denen die Dämme stabilisiert werden sollen. Das Deutsche Rote Kreuz lieferte gestern Feldküchen zur Verpflegung der Helfer an die Einsatzorte.

Unterdessen haben die Umweltorganisationen Greenpeace und BUND das Fehlen eines vorbeugenden Hochwasserschutzes kritisiert. Aus der Flut von 2002 seien keine oder falsche Lehren gezogen worden. Das dämmert inzwischen auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen (CDU). Künftig müssten Schutzmaßnahmen länderübergreifend koordiniert werden, forderte Carstensen am Sonnabend in Lauenburg. Der Schutz vor dem Wasser der Elbe sei eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern: „Man muss gucken, weshalb dieses Mal hier bei uns so viel Wasser angekommen ist.“

Es müsse geprüft werden, ob oberhalb von Lauenburg verbesserte Deiche und nicht genutzte Überschwemmungsflächen zu diesem unerwartet hohen Wasserstand geführt hätten. Denn, so Carstensen, „das war ja so heftig gar nicht angesagt“.

weiterer bericht SEITE 8