Herthas seltsame Höhenflüge

Die Berliner gewinnen gegen einen desolaten 1. FC Kaiserslautern mit 2:0 und stabilisieren sich damit auf dem 5. Tabellenplatz. Größter Aufreger war wieder mal Marcelinho, der in der 65. Minute vom Trainer ausgewechselt wurde – und stinkwütend war

VON TOBIAS SCHÄCHTER

Samstags, viertel nach fünf, das Spiel ist meistens noch nicht ganz vorbei, stehen viele Reporter schon vor den Fernsehschirmen in den Presseräumen der Bundesliga-Stadien. Auf der hektischen Suche nach ersten Kommentaren lauschen sie den Interviews beim Bezahlfernsehsender Premiere. So war es auch am Samstag nach dem 2:0 von Hertha BSC beim 1. FC Kaiserslautern. Hertha-Trainer Falko Götz war via Fernsehen dort zu hören – und gab zu Protokoll, sich über den Sieg zu freuen.

Viel mehr interessierte die Journalisten aber Götz’ Einschätzung einer Szene in der 65. Minute, der Auswechslung Marcelinhos. Noch auf dem Platz zog der aufgebrachte Brasilianer sein Trikot aus, zeigte seinen von Muskeln und Tätowierungen geprägten Oberkörper und winkte zweimal abfällig Richtung Trainerbank. Götz sagte dazu mit ernster Miene: „Einen Gefallen hat er sich damit nicht getan. Es wird mehr als deutliche Worte geben.“ Eine Viertelstunde nach Spielende klang Götz schon etwas anders: „Welcher Brasilianer wird schon gern ausgewechselt, da haben wir kein Thema.“

Das Bemühen, das Dauerthema Marcelinho klein zu halten, ist aus Götz’ Sicht verständlich. Vier Siege und ein Unentschieden aus den letzten fünf Spielen haben Herthas Chancen gefestigt, in den verbleibenden fünf Spielen den fünften Platz vor Leverkusen zu verteidigen. Die Teilnahme am Uefa-Cup ist für den klammen Klub von enormer Bedeutung. Laute Diskussionen über die Undiszipliniertheit Marcelinhos könnte die Konzentration im Saisonendspurt stören, weshalb auch Manager Dieter Hoeneß Marcelinhos Provokation nicht zum „Thema“ werden lassen will. „Es wird intern ein paar Worte geben, aber das ist Sache der Mannschaft und deren Kasse.“

Als Hertha im Winter zehn Spiele ohne Sieg blieb, war Marcelinho das Gesicht der Krise. Nach seinen zwei Toren vergangenes Wochenende gegen Stuttgart aber war der manchmal geniale, aber immer unberechenbare Seltsamling wieder das Gesicht des Aufschwungs. Doch der Abgrund ist nicht weit bei dem Hochbegabten. Die Leistung am Samstag war eine Folie für die Rolle, die der Brasilianer bei Hertha spielt. Genial sein Pass beim 2:0 auf den Torschützen Gilberto (26.) – und einfach nur ärgerlich sein lustloses Auftreten bis zur Auswechslung. Wirklich konstant ist nur Marcelinhos Hang zur Kapriole. Konstanter in seinen Leistungen ist dagegen Yildiray Bastürk. „Der beruhigt sich schon wieder“, sagte der Vorbereiter des 1:0 durch Pantelic (14.).

Insgesamt verbreiteten die Berliner vor allem in der zweiten Hälfte eine Ahnung davon, warum sie vor nicht allzu langer Zeit in einer so tiefen Krise steckten. Gegen einen überforderten Gegner gelang der überheblichen Hertha kein weiteres Tor. „Da hat die Konsequenz gefehlt“, bemängelte Hoeneß. Er will in den nächsten Tagen die Vertragsverlängerung von Oliver Schröder bekannt geben. Einig ist Hoeneß sich auch mit Marko Pantelic, bei dem der Klub bis zum 15. April eine Kaufoption ziehen kann. Festgeschriebene 1,5 Millionen Euro werden dann fällig für Roter Stern Belgrad – der Klub besitzt die Ablöserechte für Pantelic. „Unsere finanziellen Möglichkeiten sind begrenzt“, weiß Hoeneß, weswegen er sich diese Woche nach Belgrad aufmacht, um „Details zu klären“. „Wenn es möglich ist, wollen wir ihn halten“, sagt der Manager. Neben seinem Torriecher spricht zudem noch etwas für den Serben: Pantelic soll sich gut mit Marcelinho verstehen.