nebensachen aus kairo
: Fulla statt Barbie: Die Frontlinie im Karikaturenstreit verläuft durch die Spielzeugläden

Friedlich blicken die Puppen und Stofftiere von den Regalbrettern. Brettspiele, Puzzles und Spielbausätze aller Art stapeln sich bis unter die Decke. „Top Toys“, der Spielzeugladen im Zentrum Kairos, sieht auf den ersten Blick nicht gerade aus wie eine Frontlinie im Kampf der Kulturen. Und doch ist hier bei genauerem Hinsehen die Suche nach der eigenen Identität und der Versuch, sich vom Westen abzusetzen, allgegenwärtig.

Eine ganze Regalfront ist der Puppe „Fulla“ gewidmet. Als Gegenschlag zum Barbie-Imperialismus ist sie inzwischen das meistverkaufte Girl der arabischen Welt. Mit ihren dicken, dunklen Haaren und ihren tiefen, braunen Augen stellt Fulla geradezu die Antithese zur blonden, westlichen Barbie-Ikone dar.

Doch es ist vor allem das konservative Kleiderset, das Fulla von ihrer Konkurrentin unterscheidet. Für den Gang nach draußen bedeckt Fulla ihre Haare und den Rest ihres Körpers im saudischen Stil mit einem schwarzen Abaya-Umhang. Und selbst zu Hause geht der Rock züchtig bis zu den Knöcheln und die Bluse reicht zum Handgelenk. Jeder Fulla ist auch ein kleiner rosa Gebetsteppich in halber Taschentuchgröße beigelegt. „Sie ist ehrlich, liebenswert, fürsorglich und respektiert ihre Eltern“, lautet die Charaktervorgabe der syrischen Erfinderfirma des arabischen Mädchenhits, die sich kurioserweise „New Boy Toys“ nennt.

Said Mahgub, der ägyptische Top-Toys-Spielzeugverkäufer mit Prophetenbart, ist jedenfalls begeistert, besinnen sich die Kunden doch gerade in den letzten Monaten immer mehr auf das Eigene. „Seit dem dänischen Karikaturenstreit läuft der Fulla-Verkauf bestens“, sagt er. Der Trend war bereits vorher zu bemerken, nun aber sei Barbie endgültig megaout.

„Fulla ist schlichtweg eine von uns“, heißt es bei der ägyptischen Vertretung der islamisch korrekten Puppe. „Es geht nicht nur um Kleidung. Es geht auch um ihr Verhalten und ihre Moral. Fulla benimmt sich wie ein gutes orientalisches Mädchen“, erklärt Walid Kamal, der junge ägyptische Fulla-Verkaufsmanager. Barbie habe ihren Boyfriend Ken, Fulla sei Single. „Und wenn Fulla eines Tages doch noch ein Partner zur Seite gestellt wird, dann ist das sicher ihr Ehemann oder ihr Bruder“, ist der missionarische Puppenvertreter überzeugt.

Übrigens sehen sich die Zusatzartikel von Barbie und Fulla verblüffend ähnlich. Standtennis-Sets, Kassettenrekorder mit eingebautem Mikro zum Mitsingen oder das rosa Kinderfahrrad, sie alle stammen vom gleichen chinesischen Hersteller. Einzig der schrille rosa Fulla-Gebetsteppich in Originalgröße fürs erste Mädchengebet bleibt der Fulla-Kollektion vorbehalten.

Der Streit um die dänischen Karikaturen hat in den arabischen Spielzeugläden noch andere Spuren hinterlassen. „Das ist der Restposten von dänischen Legos“. Mahgub deutet leicht angewidert auf ein oberes Regalbrett knapp unter der Ladendecke. Wenn jemand so verwegen sein sollte, tatsächlich noch nach diesem skandinavischen Plastikbausteinen zu verlangen, muss der Verkäufer widerwillig eine sperrige Leiter herbeiholen. Und selbst das ist vielen seiner Kunden noch eine Beschwerde wert, die nachfragen, warum das unislamische Zeug noch feilgeboten wird. Ein vorübergehendes Problem: Früher oder später wird die Rest-Legos ganz aus dem Regal verschwinden, denn es gibt inzwischen keinen ägyptischen Lego-Importeur mehr. Zumindest diese zivilisatorische arabische Kinderzimmerschlacht ist bald ausgefochten.

KARIM EL-GAWHARY