Hutu-Milizenführer in Deutschland verhaftet

Die Polizei in Mannheim nimmt Ignace Murwanashyaka wegen illegaler Einreise fest. Gegen den Führer der ruandischen Milizengruppe FDLR verhängte der UN-Sicherheitsrat wegen Friedensgefährdung Sanktionen

BERLIN taz ■ Der politische Führer der ruandischen Hutu-Milizen in der Demokratischen Republik Kongo ist in Deutschland festgenommen worden. Die Polizei in Mannheim bestätigte am Samstag die Festnahme von Ignace Murwanashyaka am Vortag wegen illegaler Einreise. Sie sei auf Veranlassung von Generalbundesanwalt Kay Nehm erfolgt. Murwanashyaka, gegen den Reise- und Finanzsanktionen des UN-Sicherheitsrats bestehen, soll aus Belgien gekommen sein.

Nach Angaben der Deutschen Welle, die sich auf Diplomaten in Kongos Hauptstadt Kinshasa beruft, stellte sich Murwanashyaka freiwillig den Behörden in Mannheim. Man habe ihm wegen Fehlens einer gültigen Aufenthaltsgenehmigung in Auslieferungshaft genommen. Die UN-Mission im Kongo (Monuc) sagte, man werde Kongos Regierung helfen, die Auslieferung der Milizenführers zu erreichen.

Murwanashyaka führt einen radikalen Flügel der FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), die politische Vertretung der ruandischen Hutu-Kämpfer, die seit Jahren im Osten des Kongo die Bevölkerung terrorisieren und einen Krieg gegen Ruanda und seine Tutsi-dominierte Regierung planen. Sie entstammen der Armee und den Milizen, die 1994 in Ruanda den Völkermord an 800.000 Tutsi verübten und nach dem Zusammenbruch ihrer Regierung in das benachbarte Kongo flohen. Ruandas Armee kämpfte von 1996 bis 2002 auf kongolesischem Gebiet gegen sie. Bis heute stehen über 10.000 Hutu-Milizionäre als irreguläre kämpfende Armee im Ostkongo und gelten als eine der größten Bedrohungen der Sicherheit dort.

Die FDLR als ihr neuester politischer Arm wurde 2001 bei einem Kongress von Exilruandern in Bad Honnef nahe Bonn gegründet. Murwanashyaka, der zum Präsidenten der Organisation gewählt wurde, nahm selbst nicht am Völkermord in Ruanda teil und ist auch kein Militär; er lebte in den 90er-Jahren als Student in Bonn und hat Familie in Deutschland.

Im März 2005 vereinbarte Murwanashyaka auf Vermittlung der katholischen Kirche mit Kongos Regierung und UNO ein Ende des FDLR-Kampfes und die freiwillige und friedliche Repatriierung seiner Milizionäre nach Ruanda. Dies wurde jedoch nie umgesetzt, da die FDLR im Nachhinein politische Bedingungen stellte, die Ruandas Regierung ablehnte, beispielsweise die Anerkennung der Gruppe als politischer Verhandlungspartner und die Auflösung der Völkermordgerichte in Ruanda.

Im Juli 2005 wurde Murwanashyaka bei einem FDLR-Kongress in Deutschland abgesetzt und durch gemäßigtere Führer ersetzt. Murwanashyaka selbst aber erkannte seine Absetzung nicht an. Die ihm loyalen FDLR-Kämpfer im Ostkongo sind in den letzten Monaten erheblich stärker geworden, trotz kongolesischer Armeeoffensiven gegen sie, und kontrollieren mittlerweile nach UN-Angaben große Teile der an Ruanda angrenzenden ostkongolesischen Provinz Nord-Kivu. Sie finanzieren sich zum Teil durch Mineralienexport über Uganda und Dubai. Im November 2005 setzte der UN-Sicherheitsrat Murwanashyaka auf eine Liste von 15 Personen, gegen die wegen ihrer friedensgefährdenden Aktivitäten im Kongo weltweite Reiseverbote und Kontensperrungen verhängt wurden. Ruanda fordert seit Jahren vergeblich von Deutschland, die FDLR-Aktivitäten auf deutschem Gebiet zu unterbinden und ihre Führer zu verhaften.

Wie genau und warum es jetzt zu Murwanashyakas Festnahme kam, bleibt unklar. Noch am Freitag hatte die regierungsnahe ruandische Zeitung New Times gemeldet, Murwanashyaka sei in der Nacht zum Mittwoch aus Nord-Kivu nach Uganda gereist, wo er in der kommenden Woche die ugandische Armeeführung treffen wolle – Ruanda wirft Uganda derzeit verschärft vor, die Hutu-Milizen im Kongo zu unterstützen. Falls dieser Bericht nicht komplett erfunden war, müsste Murwanashyaka zwischen Mittwoch und Freitag aus Uganda nach Belgien geflogen und nach Mannheim weitergereist sein. DOMINIC JOHNSON