London: Bericht spricht al-Qaida frei

Nach einer Untersuchung des britischen Innenministeriums steckt das Terrornetzwerk nicht hinter den Anschlägen vom 25. Juli 2005. Die Attentäter suchten Ideologie und Anleitung im Internet. Eine weitere Studie widmet sich den Geheimdiensten

AUS DUBLIN RALF SOTSCHECK

Al-Qaida hatte nichts mit den Anschlägen von London zu tun, bei denen im vergangenen Juli 52 Menschen ums Leben kamen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung des Innenministeriums, die in den kommenden Wochen veröffentlicht wird. Die Sonntagszeitung Observer kennt den Bericht bereits. Demnach haben die vier Selbstmordattentäter, in England geborene Muslime, sich ihre Ideologie und ihre Kenntnisse über Sprengstoff aus dem Internet geholt. Das Material für die Bomben hätten nur wenige hundert Pfund gekostet und seien leicht erhältlich.

Der hochrangige Beamte, der die Untersuchung geleitet hat, glaubt auch nicht an einen fünften Attentäter. Da man in dem Auto, das die Attentäter in Luton geparkt hatten, einen Rucksack mit weiterem Sprengstoff gefunden hatte, ging die Polizei zunächst davon aus, dass es einen fünften Mann gegeben habe, der in letzter Minute aus der Operation ausgestiegen sei. „Die Londoner Anschläge waren eine bescheidene, einfache Angelegenheit von vier scheinbar normalen Männern, die das Internet benutzt haben“, sagte ein Sprecher des Innenministeriums.

Zwei Wochen nach den Explosionen versuchte eine zweite Gruppe, die Anschläge möglichst exakt nachzuahmen, doch diesmal detonierten die Bomben nicht. Die Attentäter konnten gefasst werden. Ein Zusammenhang zwischen beiden Gruppen habe nicht bestanden, glaubt das Innenministerium. Eine zweite Untersuchung des Sicherheitsausschusses im Unterhaus, deren Ergebnisse zur selben Zeit wie der Bericht des Innenministeriums veröffentlicht werden sollen, wird die Rolle der Geheimdienste kritisch beleuchten, schreibt der Observer. Der MI5 hat die Überwachung des Anführers der Attentäter, Mohammed Siddique Khan, Wochen vor den Anschlägen eingestellt. Patrick Mercer von den Tories sagte, dass beide Berichte viele Fragen offen lassen: Welche Rolle, so fragt er, spielte al-Qaida bei vorangegangenen oder späteren Planungen von Anschlägen in London, die von den Geheimdiensten aufgedeckt worden seien? Und welche Bedeutung hatten die Reisen der vier Attentäter nach Pakistan?

Das Innenministerium meint, die Treffen der vier Terroristen mit militanten pakistanischen Muslimen seien rein ideologischer Natur gewesen und dienten nicht der Planung von Anschlägen. Die Videoaufnahmen von Siddique Khan, auf denen auch Ussama Bin Ladens Stellvertreter Aiman al-Sawahiri zu sehen ist, seien nach den Anschlägen manipuliert worden und beweisen nicht die Beteiligung von al-Qaida an den Londoner Attentaten, so der Bericht.