Westgenossen vermissen Ossi

NRW-SPD-Chef Jochen Dieckmann verliert mit Matthias Platzeck einen Verbündeten. Eilig betonte der Landesvorsitzende die gute Nachbarschaft zum neuen Vorgesetzten aus Rheinland-Pfalz

VON KLAUS JANSEN
UND MARTIN TEIGELER

Die Komik war sicher unfreiwillig. „Gestern hätten wir uns das nicht träumen lassen“, begann SPD-Landeschef Jochen Dieckmann gestern sein Statement zum Rücktritt des Parteivorsitzenden Matthias Platzeck. War es der Schock, war es die Trauer? Dieckmann brauchte eine Weile, um sich auf die neue Situation in seiner Partei einzustellen – ungefähr drei Sätze lang. „Sehr bedauerlich“ sei der Rücktritt, stellte er klar.

Wenn ein SPD-Landesvorsitzender den Abschied Platzecks zu bedauern hat, dann ist es Jochen Dieckmann. Fast zeitgleich mit Platzecks Aufstieg an die Parteispitze im Bund war Dieckmann im Sommer vergangenen Jahres zum Chef der kurz zuvor abgewählten NRW-SPD geworden. Beide verband eine gemeinsame Mission: Weg von der Basta-Politik der Neuen-Mitte-SPD um Gerhard Schröder, Wolfgang Clement und Franz Müntefering, hin zu einer moderierenden Diskussionspartei. „Platzecks Markenzeichen war die Teamarbeit“, sagte Dieckmann gestern. Gleiches sagen Parteifreunde über den Ex-Landesfinanzminister.

Ähnlicher Politikstil, vergleichbare Ausgangslage, gleiche Probleme? Wie bei Platzeck wird Dieckmann der moderierende Führungsstil zuweilen als Führungsschwäche ausgelegt. Tatsächlich scheint die Landes-SPD zuletzt an Macht in der Bundespartei eingebüßt zu haben. In die Entscheidung, den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck auf Platzeck folgen zu lassen, war der Chef des größten Landesverbands offenbar nicht eingebunden. Dieckmann darf sich lediglich einer gemeinsamen Landesgrenze mit dem neuen Vorsitzenden rühmen: „Als Nachbar aus Rheinland-Pfalz ist uns Beck wohlvertraut.“ Er könne deshalb parteiintern auf die Unterstützung des NRW-Landesverbands bauen. „Beck bekommt auf dem kommenden Parteitag 90 Prozent plus X – die NRW-Delegierten werden den nach seinem letzten Wahlerfolg wohl alle wählen“, heißt es aus der nordrhein-westfälischen Landesgruppe in Berlin. Beck hatte Ende März die absolute Mehrheit gewonnen.

An der NRW-Parteibasis ist der designierte Vorsitzende Beck nicht überall gleichermaßen beliebt. „Wenn jemand Ruhe in die Partei bringen kann, dann ist es Beck. Auch er ist ein ausgleichender Politiker“, lobt der Kölner SPD-Chef Jochen Ott. „Platzecks Rücktritt ist ein schwerer Verlust für die ganze Partei“, sagt dagegen Dietmar Köster, Vorsitzender des Unterbezirks Ennepe-Ruhr. Zu Platzecks Nachfolger wollte sich das NRW-SPD-Vorstandsmitglied gestern nicht äußern: „Das ist noch zu frisch, das muss ich sacken lassen und in unserem Vorstand beraten.“

„Unsere Personaldecke in der Führung ist leider sehr dünn“, räumt der NRW-SPD-Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer „Nachwuchsprobleme“ der Genossen ein. Zu Kurt Beck gebe es „null Alternativen“. Dass mit dem 57-jährigen Rheinland-Pfälzer nun ein nicht mehr junger Sozialdemokrat die Parteispitze übernehme, findet er trotzdem gut – auch als Zeichen für die Veränderungen im Arbeitsleben. „Es gibt in der Politik keine Frühverrentung, wir müssen alle länger arbeiten.“

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