Ex-Grüner: Widerstand war möglich

AUFARBEITUNG Grünen-Gründer Hasenclever meint, Pädophile hätten durchaus erfolgreich abgewehrt werden können. Der Parteienforscher Franz Walter fordert ein Zeitzeugen-Treffen

BERLIN dpa/taz | Die Grünen bleiben wegen ihres Umgangs mit Pädophilie in der Kritik. Einer ihrer Mitbegründer, Wolf-Dieter Hasenclever, wirft der Partei vor, sie hätte vor rund 30 Jahren durchaus die Möglichkeit gehabt, die Propagandisten der Straffreiheit von gewaltfreiem Sex mit Kindern aus ihren Reihen zu drängen.

Hasenclever, der 2001 zur FDP wechselte, sagte der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung: „Versuche der Pädophilen, ihre Forderungen durchzusetzen, gab es überall bei den Grünen.“ Ob dies dann ins Wahlprogramm kam, „hatte damit zu tun, ob man die Leute gewähren ließ oder ihnen entschieden entgegentrat“. Es sei „definitiv falsch“, dass sie so wie in Göttingen oder anderswo „überall in den Wahlprogrammen der Grünen hätten landen können“. Hasenclever beruft sich dabei auf seine Erfahrungen in Tübingen. Dort habe man die Pädophilen „erfolgreich abgewehrt“.

In Göttingen hatte der heutige Bundestagswahlspitzenkandidat Jürgen Trittin 1981 ein Wahlprogramm mitverantwortet, das dafür warb, gewaltfreie sexuelle Handlungen zwischen Kindern und Erwachsenen nicht zu bestrafen. Dieses Papier hatte das Team von Franz Walter gefunden und diese Recherche in der taz veröffentlicht (taz vom 16. 9.).

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Wieland sagte der FAS: „Es gab bei den Grünen eine fehlende Bereitschaft, Leute rauszuschmeißen.“ Wieland, Mitbegründer der Alternativen Liste in Westberlin, erläuterte: „Die Päderasten haben sich an die Schwulenbewegung rangehängt und damit ihre Forderungen auch bei uns untergebracht.“ Daran hätten sich auch die über die Grünen berichtenden Journalisten damals nicht gestört.

Der gelernte Rechtsanwalt Wieland berichtete, er habe vor der Berliner Wahl zum Abgeordnetenhaus 1985 zwischen den grünen Feministinnen und den Päderasten vermitteln sollen. Die grünen Frauen seien gegen eine Aufweichung des Sexualstrafrechts gewesen; die Päderasten seien bei der Abstimmung über das Wahlprogramm unterlegen. Ihre Forderungen aber seien im Programmanhang dokumentiert worden.

Auch der Fraktionsgeschäftsführer der Grünen im Bundestag, Volker Beck, steht seit Freitag unter Druck. Der Spiegel berichtete über ein Dokument, wonach Beck 1988 in einem Beitrag für ein Buch tatsächlich die „Entkriminalisierung der Pädosexualität“ befürwortet habe (siehe auch taz vom 21. 9.). Beck hatte bislang erklärt, sein Text sei vom Herausgeber nachträglich sinnentstellend verändert worden. Das nun aufgetauchte Dokument zeigt, dass die Veränderungen gering und nicht sinnentstellend waren. Doch Beck sieht sich nur bestätigt.

Gegenüber der taz sprach er am 31. August von einer „verfälschten Version“, in der er bloß für eine leichte Aufweichung des Paragrafen 176 (Sexueller Missbrauch von Kindern) StGB plädiert habe. Er habe das Schutzalter von 14 Jahren infrage gestellt, das „war unsäglich und ein großer Fehler“ erklärte Beck damals.

Der Göttinger Parteienforscher Franz Walter, der für die Partei die Vorgänge aufklären soll, sagte dem Focus: „Es gibt viele, die damals bei den Debatten dabei waren. Es ist ihre historische Pflicht zu klären: Wie konnten diese Forderungen Eingang in unsere Programme finden?“ Er fügte hinzu: „Das alles zunächst ohne Kameras und Mikros. Aber dann Klartext reden und keine Nebelkerzen mehr.“

Walter hatte bereits zuvor die Rat- und Sprachlosigkeit der Grünen kritisiert. Zur Kritik an seiner Veröffentlichungspraxis sagte der Leiter des Instituts für Demokratieforschung nun: „Einschüchtern lassen wir uns nicht.“

Angesprochen darauf, dass die Veröffentlichung kurz vor der Bundestags- und Hessenwahl die Chancen der Grünen möglicherweise schmälere, sagte Walter: „Jeder Zeitpunkt ist falsch. Zwei Wochen früher hätte es vielleicht die Bayern-Wahl beeinflusst. Zwei Wochen später hätte es ebenfalls Theater gegeben. Man hätte uns Vertuschung vorgeworfen.“ UWI