LESERINNENBRIEFE
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Bierseliges Paradiesgefühl

■ betr.: „Voll Horst: Seehofer siegt in Bayern“, wahl.taz v. 16. 9. 13

Dahoam is dahoam! Das bayerische-bierselige Paradiesgefühl hat nun auch die taz-Redakteurinnen übermannt. Kein Wort mehr zum Landesbank-Debakel, kein Wort zur dritten Startbahn, kein Wort zur ausgebremsten Energiewende, kein Wort zur Pkw-Maut für Ausländer, kein Wort zur inhumanen Flüchtlingspolitik, kein Wort zu den NSU-Morden in Bayern, kein Wort zur verfehlten Schulpolitik, kein Wort zur Zerstörung des Isentals durch eine unnötige Autobahn, kein Wort zum verfehlten Hochwasserschutz, kein Wort zur totalen CSU-Verfilzung von Politik, Kirche, Verwaltung. Hat eine von diesen CSU-Fans jemals eine Landtagssitzung, eine Sitzung in einem Kommunalparlament besucht? Diese drei Seiten in der taz sind der taz unwürdig. CHRISTIANE LETTOW-BERGER, Kelheim

Wider die Kohlelobby

■ betr.: „Sieg für Umweltschützer“, taz vom 13. 9. 13

Nicht das „Begräbnis erster Klasse“ für CCS ist eine Niederlage für das Klima, sondern die fortgesetzte und massive Freisetzung von CO2-Emissionen durch alte und neue Kohlekraftwerke. Es ist gut, dass das renommierte Potsdam-Institut für Klimaforschung (PIK) darauf hinweist, dass wir bei einem „Weiter so!“ um CCS nicht herumkommen würden. Anstatt aber eine nicht entwickelte, teure und mit Risiken behaftete Technologie zu propagieren, sollte das Naheliegende getan werden: zunächst einmal dafür sorgen, dass die CO2-Emissionen so schnell wie möglich massiv abgesenkt werden. Denn das 2°-C-Ziel kann erreicht werden, die Technologien (Erneuerbare und Effizienz) sind vorhanden und werden immer kostengünstiger.

Allein die Kohlelobby im Osten und im rheinischen Revier, darunter Energieversorger, Kommunen, Industrie- und Handelskammern und Politiker, lassen keine Chance unversucht, ihre Kohlekraftwerke vor dem Abschalten zu retten und maximalen Profit einzufahren. CCS wäre daher ganz im Sinne ihrer Geschäftspolitik. Da ein Großteil des Kohlestroms inzwischen mangels Bedarfs exportiert wird, sollte ein Kohleausstiegsgesetz verabschiedet und die Kohlekraftwerke sollten innerhalb der nächsten zehn Jahre nach und nach vom Netz genommen und Neubauten nicht mehr in Betrieb genommen werden. PETER VIEBAHN, Wuppertal

Die Lauen spuckt Gott aus

■ betr.: „Ich passte nie ganz zu meiner Umgebung“, taz vom 19. 9. 13

Marcel Reich-Ranicki (MRR) gehörte zu den wenigen Menschen des öffentlichen Lebens, die im wahrsten Sinne des Wortes Charaktere waren und insbesondere dadurch besonders stark polarisierten. Auf ihn passte das biblische Wort, dass der Mensch entweder heiß oder kalt sein solle, aber nicht lau, denn die Lauen würde Gott verächtlich ausspucken. Das ist eine treffende Metapher, auch wenn er selbst von sich immer behauptete, nicht religiös zu sein. Ich mochte ihn. Er war ein Mann mit viel Herz.

MRR hat durch seine extreme Berührungsfähigkeit, Emotionalität und seine zuweilen sehr offenen Worte auch den einen oder anderen Zeitgenossen vor den Kopf gestoßen. Manche, die anfangs seine Freunde waren, waren irgendwann seine Gegner oder Feinde. Mit Walter Jens hat er sich schließlich wieder versöhnt, was mich freute. Willy Brandt verehrte er, wie ich auch. Zwischentöne gab es auch in der Bewertung von Willy Brandt bei den wenigsten Menschen. Das ist es, was heute in der Politik am meisten fehlt. Die Parteien und deren Vertreter ähneln einander immer mehr. Bei Brandt, Strauß oder Wehner war man als Bürger quasi gezwungen, sich zu positionieren. Das bezog sich nicht nur auf die Personen, sondern auch auf die Inhalte, für die sie standen. Deshalb lag 1972 bei der „Willy-Wahl“ die Wahlbeteiligung mit 91 Prozent auch so hoch wie nie.

Bei MRR fiel mir irgendwann auf, dass mit den Autoren, die er negativ verriss, ich auch nicht viel anfangen konnte, während meine Lieblingsautoren meistens gute Kritiken von ihm bekamen.

R. i. P, Marcel. EWALD BECK, Bad Homburg

Vielschichtiger als ein Foto

■ betr.: „Sonderausgabe: Eine taz voller Karikaturen“ vom 20. 9. 13

Ich bin seit einigen Jahren Abonnent und freue mich jeden Morgen über die taz-Lektüre. Die Cartoon-Ausgabe am gestrigen Freitag war super! Die meisten Cartoons waren vielschichtiger als ein Foto und Künstler_Innen werden so auch unterstützt. Ich wünsche mir mehr (un)regelmäßige Cartoons in der taz. LUKAS PLEGER, Tübingen

Falsch verstandene Gewaltfreiheit

■ betr.: „Die taz gab dem Raum“, taz vom 14. 9. 13

Ich habe schon in den späten Siebzigern und frühen Achtzigern auf allen möglichen politischen Versammlungen, auf denen die Pädophilenclique um die sogenannte Indianerkommune und ihren Häuptling Uli Reschke alias Caspar Carl mit der Drohung, bei Nichtverabschiedung ihrer Forderung nach Straffreiheit sexueller Kontakte Erwachsener mit Kindern die entsprechende Versammlung zu sprengen, mich daran beteiligt, diese Herrschaften in ihre Schranken zu weisen, was im Regelfall nur mit Brachialgewalt möglich war. Leider verstanden viele unserer Mitstreiter/innen damals das Prinzip der Gewaltfreiheit falsch und ließen sich lieber erpressen oder verließen vorzeitig die Versammlung. So hat diese Clique eine Bedeutung erlangt, die sie nie hätte bekommen dürfen.

ERNST SOLDAN, Norderstedt