unterm strich
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Wobei diese Leere an vermeldbaren Neuigkeiten – die wohl auch mit der bevorstehenden Entscheidung zu tun hat, wer denn nun europäische Kulturhauptstadt wird, das Ruhrgebiet und Görlitz fiebern der heutigen Bekanntgabe entgegen – Anlass geben könnte, den anderen wichtigen Dingen im Leben nachzuspüren. Dem merkwürdigen Nachschwingen beispielsweise, das die Musik von Manu Chao im Kopf des Musikredakteurs erlebt, seit dieser vor einigen Tagen im Waschsalon war (und das sich durch den großen Artikel über Amparo Sanchez und ihre Band Amparanoia vom vergangenen Freitag noch verstärkte – sie ist schließlich die Königin der so genannten Mestizo-Szene).

Tatsächlich lässt sich der Musik in Waschsalons ja nicht ausweichen, zumindest an einem Dienstagabend nicht. Anderthalb Stunden dauert der Waschvorgang, nach Hause gehen lohnt sich nicht, in eine Bar gehen auch nicht. So sträubt man sich anfangs zwar, wenn ein Song wie „King of the Bongos“ läuft und sich durch seine Catchyness einzuschmeicheln versucht. Irgendwann gibt man den Widerstand dann aber auf – auch weil man beginnt, seinem eigenen Unbehagen nachzuspüren. Wie aus der Zeit gefallen diese Musik heute klingt, denkt man sich.

Denn eigentlich sind es ja Kinderlieder, die Manu Chao schreibt. Kinderlieder wie in dem alten Slogan „Kinder und Narren sagen die Wahrheit“. Es sind Lieder, deren Anziehungskraft auf einer freiwillig eingenommenen Naivität beruht: hey, sagen sie, es könnte doch so einfach sein, die Welt zu verbessern. Wir müssen sie nur mit Kinderaugen sehen. Eine Perspektive, die einem aber seit den Anschlägen vom 11. September und der damit einhergehenden umfassenden Verkomplizierung der globalen Verhältnisse vorkommt, als sei sie einem fernen kulturellen Kontinuum entstiegen.

Nicht nur politisch, auch ästhetisch. Diese Ukulele, auf der Manu Chao in einem fort herumschrammelt, die Disco-Shots, die Western-Gitarre, die Zweifingermelodien. Ganz ferne kommt einem das in seiner Stetes-Wasser-höhlt-den-Stein-Haltung vor. In seiner Annahme, die Leute seien in der Tiefe ihres Herzens dann doch gut, der Rest sei einfach den gesellschaftlichen Umständen geschuldet, die es wegzusummen gelte. Da gibt es so gar kein Gefühl für die Ausweglosigkeit, die viereinhalb Jahre War On Terror ja auch in der Art und Weise hinterlassen haben, wie man als Linker die Welt wahrnimmt.

Nerven tut sie immer noch, diese Musik. Aber die gefühlte Nerverei ist durch die Trauer über all das durchmischt, was seit dem Erscheinen dieser Musik verloren gegangen ist. RAPP