Staatliche Sammelwut

Hamburgs Datenschutzbeauftragter warnt in seinem ersten Bericht davor, dass die Politik den Schutz von Grundrechten zunehmend als Problem begreift – und vor der Sorglosigkeit der Bürger

Von ELKE SPANNER

Die Brisanz des Problems versteckt sich hinter einem technischen Begriff. Datenschutz, das klingt nach Passwörtern im Firmencomputer und nach fälschungssicheren Personalausweisen. Wer aber Datenschutz betreibt, tritt für die Wahrung der Grundrechte ein – der Schutz der Persönlichkeit ist dort als oberstes Gebot verbürgt. Darauf hat gestern der Hamburger Datenschutzbeauftragte Hartmut Lubomierski hingewiesen, der seinen ersten Tätigkeitsbericht präsentierte. Er habe feststellen müssen, so Lubomierski, dass das Bild des Datenschutzes in Hamburg „noch viel negativer ist“, als er vor Amtsantritt befürchtet habe. Dabei „zeichnet sich ein Rechtsstaat durch die Garantie der Privatsphäre und Freiheit seiner Bürger aus“.

Rund 500 Eingaben von Bürgern bearbeitet seine Dienststelle pro Jahr. Darüber hinaus beobachten seine Mitarbeiter den Umgang mit persönlichen Daten in Behörden, Institutionen und Unternehmen. Gestern erklärte Lubomierski, dass „die Begehrlichkeiten sowohl auf Seiten des Staates als auch der Wirtschaft nach einer Erfassung, Sammlung und Nutzung personenbezogener Daten immer stärker zunehmen“.

In der Hamburger Politik werde der Datenschutz inzwischen weniger als Grundrecht denn als Problem angesehen, das der effektiven Verbrechensbekämpfung entgegensteht. Jüngstes Beispiel hierfür: das Akkreditierungsverfahren für die Fußball-Weltmeisterschaft. Für Lubomierski hätte nichts dagegen gesprochen, die Stadien während der Spiele „zur Festung“ zu machen. Stattdessen müssen alle Mitarbeiter, die zu den Spielstätten, zum Umkleidebereich oder auch zum Medienzentrum Zugang haben werden, einer vorherigen Überprüfung durch Polizei und Verfassungsschutz zustimmen – ohne jede gesetzliche Grundlage.

Weiteres Beispiel: Die Videoüberwachung der Reeperbahn. Grundsätzlich, erinnerte Lubomierski, habe jeder Bürger das Recht, sich im öffentlichen Raum unbeobachtet und unerfasst zu bewegen. Auf dem Kiez aber könnten die Anwohner nun gezielt beobachtet werden. Lubomierski nannte das den „Kollateralschaden“ der Maßnahme. Er betonte, dass es keinesfalls eine Ausweitung der Überwachung von Straßen und Plätzen geben dürfe, bevor die elektronische Personenkontrolle auf der Reeperbahn „sorgfältig, unabhängig und ergebnisoffen evaluiert wurde“.

Nicht nur die Missachtung des Grundrechtsschutzes durch staatliche Stellen irritiert Hamburgs Datenschützer, sondern auch die mangelnde Sensibilität der Bürger für dieses Problem. Die alltäglich gewordene Gewöhnung an Informations- und Kommunikationstechnik, analysierte er, lasse Warnungen vor Missbrauch in der öffentlichen Wahrnehmung als „Ausdruck von Technikfeindlichkeit und Rückständigkeit“ erscheinen.