KEIN BEGRÄBNISMARATHON VOM KARTOFFELACKER, „BRENNPUNKT“-UNSINN BEI DER ARD UND CHARLOTTE LINDHOLM IM IRAK-EINSATZ
: Alois Dingsbums und das große achtarmige Monster

Hallo!?! Ist da jemand? Hört mich jemand?!?

Hallo Berlin?! Tja, liebe Leserinnen und Leser, ich habe keine Ahnung, ob Sie mich empfangen können. Seit der Machtübernahme durch die jungen Wilden weiß man bei der taz nicht mehr so recht, wo oben und unten ist. Das wusste man vorher auch oft nicht so genau, immerhin aber hatte ich Kenntnis, wer auf meinen Text wartete. Jetzt hört man aus anderen Ressorts, die Autoren bräuchten gar nicht mehr zu liefern, die Neuen machten ihr eigenes Ding. Nicht mal Tom haben sie gelassen. Das Beste im Blatt. Sieht man einmal vom Fernsehprogramm ab.

Wobei gerade das momentan arg schwächelt. Hatte ich mich doch so schön auf eine Sonntagnachmittag-Beerdigungssause gefreut! Hatte gedacht, dass ARDZDFRTLSAT1NTVH5N1 siebzehn Stunden lang zeigen, wie Kaczynski unter die Erde gebracht wird. Wie der Sarg Millimeter um Millimeter durch Polen rollt, Menschen den Leichenzug mit Blumen und Bigos bewerfen. Dachte, das wird so hübsch wie einst bei Prinzessin Di. Aber nein! Die dumme Aschewolke war auch hier wieder wichtiger. Kein Begräbnis-TV, keine Live-Übertragung, wenn die Polen aus ihrem Heldenfriedhof einen Kartoffelacker machen. Dafür ständig Wolkenmeldungen.

Aber das Beste am Sonnabend, 20.15 Uhr: Alois Theisen, der Mann, den schon der werte Kollege Grimberg am Montag lobpreiste, eröffnet den „Brennpunkt“ mit folgendem Satz: „Die schlechte Nachricht zuerst: Der Vulkan kommt nicht zur Ruhe.“ Nicht nur, dass in den folgenden Minuten Sonderberichterstattung keine gute Nachricht mehr kam, man muss sich doch auch sehr wundern, was hier als objektive Nachricht verkauft wird. Warum, so fragt sich der geneigte Zuschauer, ist es eine schlechte Nachricht, dass der Vulkan nicht zur Ruhe kommt. Für wen? Für ein paar arme Vagabunden, die nun nicht fliegen können? Für die arme Lufthansa? Und wer legt das fest? Die ARD? Alois Theisen für den Rest der Menschheit? Die ARD inszeniert den Ausbruch des Eyjafjallajökull, dessen Namen Alois Dingsbums zu nennen sich sträubt, als die Sezierung eines großen achtarmigen Monsters. Man wünscht sich ein wenig mehr Sachlichkeit gegenüber einem Naturereignis, das – so ist die Natur der Natur – ein wenig Asche ins Zivilisationsgetriebe streut.

Aber die ARD, die gerade ihren 160sten feiert, hat auch Erfolge zu verbuchen: Sie konnte Folgen des „Tatorts“ mit Maria Furtwängler an die Iraner verkaufen. Während das arme, Diktatur geschüttelte Volk offensichtlich alles nimmt, das nur für ein wenig Ablenkung von Unterdrückung, Folter und Hinrichtung steht, kommen auch auf die Furtwänglerin neue Zeiten zu. Weil die ARD sich wegen ihrer teuren Zugpferde (Harald Schmidt, Eckart von Hirschhausen, Guido Cantz) keine digitale Bildbearbeitung leisten kann, müssen nun alle Szenen, in denen die Gattin Hubert Burdas mit Kopf zu sehen ist, noch einmal mit einem Tuch darauf nachgedreht werden. Auch der Handlungsverlauf, in dem die kühle Blonde ein Baby austrägt, ohne verheiratet zu sein, soll dahin korrigiert werden, dass ein Storch das Kind vor der Tür ablegt. Auf eine Steinigung der Filmfigur Charlotte Lindholms wegen außerehelichen Geschlechtsverkehrs wollte sich die ARD dann doch nicht einlassen. Bei allem Interesse an Geschäften mit der aufstrebenden Nation, sollte wohl ein Mindestmaß an Humanität bewahrt bleiben.

Und mit dieser guten Aussicht gebe ich zurück nach Berlin! Ich hoffe, da ist jemand?!

Hinweis: DIE KRIEGSREPORTERIN SILKE BURMESTER