Rote Punkte für das Jobcenter

Die kleine anarchosyndikalistische FAU befragt Hartz-IV-Betroffene nach ihren Erfahrungen im Jobcenter. Die freuen sich, einmal Dampf ablassen zu können

Die junge Frau blickte zunächst etwas skeptisch. „Erwerbslose solidarisch gegen Zumutungen und Schikanen“ stand gestern morgen auf einem Transparent direkt vor dem Eingang des Jobcenters Neukölln in der Sonnenallee. Langsam kam die Passantin näher zu dem Infostand. Dort erzählte sie schließlich, dass ihr das Arbeitslosengeld für April noch immer nicht ausgezahlt worden sei. Sie war nicht die Einzige, die sich über Entscheidungen von MitarbeiterInnen des Jobcenters empörte. So klagte ein junger Mann, der nach einer Drogenentzugstherapie seinen Realschulabschluss nachholt, ihm sei gerade ein Zuschuss für den monatlichen Krankenkassenbeitrag brüsk verweigert worden.

„Das sind leider keine Einzelfälle bei diesem Jobcenter“, sagte Gerd Fischer von der „Freien ArbeiterInnen Union Berlin“ (FAU). Die anarchosyndikalistische Organisation hatte zu der Kundgebung aufgerufen, weil sich ihrer Meinung nach gerade im Jobcenter Neukölln die Schikanen häuften. „Wir halten die Hartz-Gesetze schon für skandalös genug. Aber hier wird noch gegen deren Grundsätze zum Nachteil der Betroffenen verstoßen“, meinte der FAU-Aktivist. So seien häufig eingereichte Unterlagen verschwunden und die Betroffenen warteten vergeblich auf ihr Geld. Bearbeitungszeiten seien unerträglich lang und gegenüber den KundInnen sei ein rauer Ton an der Tagesordnung.

Total unzufrieden

Die Vorwürfe wurden von mehreren Betroffenen, die gerade aus dem Jobcenter kamen, spontan bestätigt. Einige beteiligten sich an der anonymen Umfrage zur Behandlung im Arbeitsamt und bei 1-Euro-Agenturen. Auf einer Tafel konnten sie die Leistungen der Jobcenter-MitarbeiterInnen mit roten Punkten bewerten. Nur einer war mit der Beratung „sehr zufrieden“, mehrere hingegen waren total unzufrieden.

Einige Erwerbslose wirkten sichtlich erleichtert, dass sie über ihre Erlebnisse in der Behörde reden konnten. Diese Erfahrungen haben die FAU-AktivistInnen, die regelmäßig vor Arbeitsagenturen Infomaterialien verteilen, in letzter Zeit häufig gemacht. Dort werden auch Termine für Beratungen im Berliner FAU-Büro veröffentlicht.

Nach jeder Verteilaktion nehmen einige Betroffene diesen Service wahr und lassen sich beraten. „Wir machen ihnen klar, dass es nicht reicht, kurz mal Dampf abzulassen, und sagen ihnen, dass sie sich selber organisieren sollen“, sagt ein FAU-Aktivist. Von einer Stellvertreterpolitik hält er nichts. Nur die Betroffenen selbst könnten die Proteste organisieren.

Für den 28. April planen linke Gruppen zusammen mit Erwerbsloseninitiativen in Neukölln einen Aktionstag „gegen Zwangsumzüge nach Hartz IV und Leinenzwang für Jugendliche“, wie sie die jüngst beschlossenen Verschärfungen für Erwerbslose unter 25 Jahren in den Hartz-IV-Gesetzen nennen. Der Protesttag beginnt ebenfalls mit einer Kundgebung vor dem Jobcenter an der Sonnenallee.

Peter Nowak