WO IST DIE FERIENWOHNUNG?
: Verirrter Spanier

Er schien irritiert, was angesichts seiner Lage verständlich war

Ich saß im spanischen Café Tagomago in Friedrichshain, benannt nach einer Baleareninsel, wo ich oft mit meinem Laptop bin und arbeite. An einem Vormittag tauchte ein Spanier auf, der nichts essen oder trinken und auch nicht die Toilette benutzen wollte. Der Spanier suchte etwas, was es in dem Café nicht gab: Er suchte sein Dach über dem Kopf. Seit wenigen Tagen war er mit Freunden in der Stadt, sie hatten eine Wohnung gemietet, und genau da lag der Hase im Pfeffer, der Spanier wusste nicht mehr, wo sich die Bleibe befand.

Er erzählte, dass er am Morgen aus dem Haus gegangen war, um einen Spaziergang zu machen, und die Orientierung verloren habe. Sein Handy, in dem die Nummern seiner Freunde gespeichert waren, hatte er in der Wohnung, die er nun verzweifelt suchte, zurückgelassen. Er konnte nicht einmal mit Sicherheit sagen, ob er in Friedrichshain wohnte oder einem anderen Stadtteil. Immerhin wusste er seinen Namen – und dass durch die Straße, in der er wohnte, eine Straßenbahn fuhr, und es in der Nachbarschaft ein russisches Lokal gab. Es stand wirklich nicht gut für den Spanier, an dessen Seriosität ich keinen Zweifel hatte. Er sah nicht aus, als habe er die Nacht zum Tag gemacht. Er war nur irritiert und besorgt, was angesichts seiner Lage verständlich war. Doch seine Anhaltspunkte waren sehr dürftig, und es kamen mehrere Straßen mit Straßenbahnen infrage.

Als ich mit dem verlorenen Spanier vor die Tür ging, fiel ihm noch ein Detail ein, eine Pizzeria an einer Ecke. Daraufhin fiel mir ein, dass durch die Wühlischstraße eine Straßenbahn fährt und es an einer Ecke eine Pizzeria gibt, die ich für ihre Pferdefleischpizza schätze. Also erklärte ich dem Spanier den Weg dorthin. Überschwänglich bedankte er sich. Ich habe ihn nicht wiedergesehen. Wenn er nicht zu Pizza verarbeitet wurde, hat er seine Bleibe vielleicht wiedergefunden. BARBARA BOLLWAHN