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BASEBALL Die Pittsburgh Pirates, das schlechteste Team der Vorsaison, steht in den Playoffs der MLB – der Umverteilungspolitik der Liga sei Dank

Der Montag war kein guter Tag für die Houston Astros. Da gab es eine 0:12-Klatsche bei den Texas Rangers. Der Sonntag war auch kein guter Tag für die Houston Astros, aber immerhin fiel die Niederlage, eine 2:9-Auswärtspleite bei den Cleveland Indians, etwas niedriger aus. Es gab überhaupt nicht viele gute Tage für die Houston Astros, die schon 106-mal verloren haben in dieser Saison, damit ihren persönlichen Negativrekord aus dem vergangenen Jahr eingestellt haben und in den restlichen fünf Spielen sogar noch ausbauen können. Dem stehen bloß 51 Siege gegenüber, so wenige wie keine andere Mannschaft im Major League Baseball (MLB). „Wir hatten ein paar schwere Spiele“, sagte ein sichtlich resignierter Trainer Bo Porter. Kein Wunder, dass da keiner mehr hinsehen mag: Die sonntägliche Demütigung in Cleveland hatte in der Region Houston eine Einschaltquote von genau 0,0 Prozent. Selbst das Standbild mit den Football-Ergebnissen zog mit 0,16 Prozent mehr Zuschauer.

In Houston ist man froh, wenn diese Saison am kommenden Wochenende zu Ende geht. An anderen MLB-Standorten steigt dagegen die Vorfreude auf die Playoffs, die in der nächsten Woche beginnen werden. Acht der zehn Teilnehmer stehen bereits fest, um die restlichen beiden Plätze streitet sich allerdings noch ein halbes Dutzend Mannschaften mit vollkommen verschiedenen Voraussetzungen. Die sonst so übermächtigen, in diesem Jahr aber schwächelnden New York Yankees hoffen ebenso noch auf eine Playoff-Teilnahme wie die Kansas City Royals. Die durften schon seit 1985, als sie das erste und bislang einzige Mal die World Series gewinnen konnten, nicht mehr in der K.-o.-Runde mitmachen – so lange wie kein anderes MLB-Team.

Diese Serie wird wohl verlängert werden, denn die Royals bleiben trotz eines dramatischen, nach dreimaliger Verlängerung errungenen 6:5-Erfolgs gegen Seattle am Montag ebenso Außenseiter im Kampf um die beiden Wild-Card-Plätze wie die Yankees. Die besten Chancen haben die Tampa Bay Rays und die Cleveland Indians. Die Texas Rangers und die Baltimore Orioles sind auch noch im Rennen, das nach einer fünf Monate währenden Saison mit nahezu täglichen Spielen nun in die entscheidende Phase geht.

Dabei sind auf jeden Fall die Pittsburgh Pirates. Die warteten zwar noch nicht ganz so lange auf dieses Erfolgserlebnis wie Kansas City, aber doch immerhin seit 1992, als sie sich das letzte Mal für die Playoffs qualifiziert hatten. Entsprechend ausgelassen ging es zu nach dem 2:1-Sieg gegen die Chicago Cubs, der die Pirates endgültig zur größten Überraschung dieser Baseball-Saison machte. Nachdem die Spieler ausgiebig Sekt verspritzt hatten, stellte Andrew McCutchen, der Star des Teams, klar, wie groß die Erleichterung nun ist: „Auch wenn ich persönlich in den vergangenen 20 Jahren diese vielen Spiele nicht verloren habe, hat sich das doch so angefühlt. Jeden Tag fragt jemand: Wann wird sich das ändern? Klappt es in diesem Jahr? Endlich ist es vorbei mit den Fragen. Die einzige Frage, die uns jetzt noch interessiert: Wie weit können wir kommen?“

Tatsächlich hatte niemand Pittsburgh auf der Rechnung. Schließlich war die junge Mannschaft in der vergangenen Saison noch das schlechteste aller 30 MLB-Teams. Für Bud Selig, den Boss der Liga, sind die Pirates das beste Beispiel für den Erfolg seiner Strategie, mit einer Luxussteuer das Geld von den reichen zu den ärmeren Klubs umzuleiten. „In jedem Jahr gibt es Teams, die enttäuschen, aber jeder Klub hat die Chance zu gewinnen“, sagt Selig. „Wir müssen dafür sorgen, dass jeder Fan und jedes Team Hoffnung haben kann.“ Die Pittsburgh Pirates beweisen: Selbst die Houston Astros können hoffen, dass ihnen irgendwann mal wieder jemand zusieht. THOMAS WINKLER