Der große Bruder von Big Brother

KAMERAS Hamburger Bürgerschaft diskutiert die Überwachung. Auch in Behörden wird bald gefilmt

Einem Tag nach der Fundamentalkritik des niedersächsischen Datenschutzbeauftragten Joachim Wahlbrink, diskutierte die Hamburgische Bürgerschaft auf Antrag der GAL-Fraktion den Tätigkeitsbericht von Wahlbrinks Hamburger Amtskollegen, Johannes Caspar. Auch Caspar hatte, in etwas moderaterem Ton als Wahlbrink, Gesetzeslücken und Übertreibungen bei der Videoüberwachung angeprangert.

Caspar moniert in seinem Bericht den „Wildwuchs bei der Überwachung durch Videokameras“, etwa in Restaurants, Einkaufszentren und bei Wohnungsgesellschaften. „Damit hat der staatliche Big Brother einen großen Bruder bekommen“, klagt Caspar.

„Wir rennen oft nur hinterher, es ist ein Kampf gegen Windmühlen“, hatte der Datenschützer bei der Präsentation seines Tätigkeitsberichtes gesagt, und etwa den permanenten Zugriff der Polizei auf Videoaufnahmen kritisiert, die in Bussen und Bahnen entstünden. Das sei „eine Idee, die ich nicht für sehr sinnvoll halte“, so Caspar.

Auch die engmaschige Videoüberwachung auf der Reeperbahn nahm der Datenschützer aufs Korn. Sie könne zwar im Nachhinein helfen, Straftaten aufzuklären, sei aber ungeeignet, diese zu verhindern. Doch Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) habe die Kiez-Überwachung mit dem Argument durchgesetzt, sie sei ein Präventionsmittel. „Das aber funktioniert nicht“, findet der Datenschutzbeauftragte.

Die inzwischen hohe Bildauflösung und Speicherkapazität der Kameras ermögliche zudem, so der Datenschutzbeauftragte, „detailgetreue Bild- und sogar grundsätzlich unzulässige Tonaufnahmen“. Auch die von öffentlichen Stellen initiierte Videoüberwachung sei „teilweise ohne Rechtsgrundlage, so dass die personenbezogenen Daten gar nicht erhoben werden dürften“.

Eine solche Rechtsgrundlage klagten SPD und GAL in der gestrigen Debatte ein. „Der Senat muss endlich zu Potte kommen und ein Gesetz vorlegen, dass diesen hochsensiblen Bereich vernünftig regelt“, mahnte der SPD-Rechtspolitiker Rolf Dieter Klooß an. Dass „in Kürze ein strenges Gesetz kommt, das die Videoüberwachung in Hamburger Behörden umfassend regelt“, stellte der GAL-Abgeordnete Farid Müller in Aussicht.

Die innenpolitische Sprecherin der Linken, Christiane Schneider, sprach von einer „ausufernden Überwachung des öffentlichen und des öffentlich zugänglichen Raums, bis in den Wohnbereich hinein“. Die Tendenz „das menschliche Kommunikationsverhalten verdachts- und anlasslos zu erfassen und zu protokollieren, sei hochproblematisch“. MARCO CARINI