Wir sind noch zu nah dran

Papst sells! In diesen Tagen, gut ein Jahr nach dem Tod von Johannes Paul II., häufen sich im TV die Sendungen, die das Leben des verstorbenen und des neuen Papstes darstellen. Erträglich ist nur eine

VON PHILIPP GESSLER

Die Versuchung war wohl zu groß. Himmlische Einschaltquoten beim öffentlichen Sterben von Papst Johannes Paul II. vor rund einem Jahr, ebenso bei seiner Beerdigung und schließlich bei der Wahl des neuen Pontifex Maximus, des Deutschen Joseph Ratzinger zu Papst Benedikt XVI. – es war klar, dass TV-Macher, dem süßen Quoten-Gift verfallen, uns in diesen Tagen mit Papst-Storys belästigen würden.

So kam es denn auch. Papst sells, und so lieferte das ZDF schon vor zwei Wochen, sehr zeitig!, das Dokudrama „Karol Wojtyła – Geheimnisse eines Papstes“ ab, Arte bietet am Samstag (21.35 Uhr) die Doku „Benedikt XVI. Der rätselhafte Papst“ an – und am Ostermontag sendet die ARD einen Spielfilm mit dem ungelenken Titel „Fürchtet euch nicht! Das Leben Papst Johannes Paul II.“ (17.45 Uhr).

Allen drei Sendungen ist ein feierlicher, etwas kitschiger, meist ziemlich kritikloser Ton eigen, ohne den es derzeit offenbar nicht geht, wenn dieses ganz besondere Amt hier auf Erden und die Personen Wojtyła und Ratzinger näher beschrieben werden sollen. Und, um es klar zu sagen: Während die Arte-Dokumentation über Benedikt XVI. einige interessante Anregungen liefert, scheitern die beiden (Doku-)Dramen über Johannes Paul II. an ihrem Stoff. Sie wollen zu viel erzählen, versuchen dieses aufregende Leben des Polen, das die Leiden eines Jahrhunderts umfasste, vom Welt- über den Kalten Krieg bis zum heutigen „War on Terror“, auf Spielfilm-Länge einzudampfen – wahrscheinlich ist das nicht zu schaffen.

Auch wenn sich die ZDF-Produktion vor allem auf Wojtyłas Rolle beim Fall des Eisernen Vorhangs konzentrierte und sie ordentlich überschätzte – letztlich wurden auch hier alle Themen bestenfalls angetippt, fast alles wirkte gehetzt und am Ende platt. Michael Mendl als Papst Johannes Paul II. spielte nicht schlecht, auch Mario Adorf als fiktiver Gärtner des Papstes war meist angenehm anzuschauen. Insgesamt aber waren die Dialoge hölzern, überladen von Bedeutungsschwere. Und auch die ironische Brechung, die Adorf als Gärtner wohl liefern sollte, gelang nur selten.

Schlimmer noch beim ARD-Spielfilm über Wojtyłas Leben: Thomas Kretschmann als Johannes Paul II. ist erstarrt in Würde – und wie Mendl misslingt es ihm, mit viel Schminke und gekrümmtem Rücken das Leiden des alten Papstes darzustellen. Vielleicht weil die Bilder des wirklichen Leidens noch allzu frisch sind. Ein Tiefpunkt ist, als Kretschmann versucht, das wortlose Gestammel beim letzten Auftritt von Johannes Paul II. kurz vor seinem Tod zu zeigen, alles in gnadenloser Nahaufnahme. Da weiß man nicht, ob man weinen oder lachen soll.

Womöglich sind die Ereignisse ja alle noch zu nah, um sie irgendwie fiktiv in Bilder zu bannen, gerade weil es um das Religiöse, also um etwas geht, das eben nicht ganz von dieser Welt ist. Dies missglückt auch großen Künstlern immer wieder. Schon seit fast 2.000 Jahren.