Der Fluch der Ostsee

Mit dem Zweiteiler „Störtebeker“ (Sa.+So. 20.15 Uhr) liefert die ARD einen liebeslastigen Abenteuerfilm ab

Raub und Totschlag! Fecht-Action! Politische Intrigen! Die Geschichten, mit denen die ARD-Tochter Degeto die Welt beglückt, sind normalerweise nicht aus solchem Stoff, aber weil Klaus Störtebeker „ein Stück deutscher Geschichte“ ist, wie der Drehbuchautor Walter Kärger herausgefunden hat, und Piratenfilme derzeit gefragt sind, haben sich die öffentlich-rechtlichen Süßstoff-Emittierer auf ungewohntes Terrain gewagt.

Inspiriert vom Mythos um den im Jahr 1400 in Hamburg hingerichteten Freibeuter, haben sie Kärger und den Regisseur Miguel Alexandre mit einem opulenten Zweiteiler beauftragt. Eine große, eine mittelwichtige und eine kleinere Liebesgeschichte dürfen natürlich nicht fehlen, wobei die große einem bewährten Muster folgt: Ein guter Outlaw (Störtebeker, gemimt von Ken Duken) liebt eine Frau, die einem bösen Machtmenschen (überdies mitverantwortlich für den Mord an Störtebekers Eltern) versprochen ist, und die Begehrte ist hin- und hergerissen. Über Störtebekers tatsächliches Liebesleben weiß man übrigens nichts, vor 600 Jahren gab es schließlich noch keinen investigativen Journalismus.

Möglich ist ein Film wie „Störtebeker“ im Fernsehen nur, weil sich Piratenschiffe mittlerweile am Computer generieren lassen. Aber weil auch das aufwändig ist, hat die Degeto 13 Koproduktionspartner rekrutieren müssen, darunter mehrere ARD-Anstalten und ausländische Sender, die sich finanziell unterschiedlich stark beteiligt haben. Degeto-Geschäftsführer Jörn Klamroth sagt, „Störtebeker“ sei ein „Augenschmaus für alle, die sich in eine Traumwelt entführen lassen wollen“.

Traumwelt? Den Gegenspielern der Piraten – die Hanse und die dänische Königin – ist jede Barbarei Recht, um ihre Handelsinteressen durchzusetzen. Und Störtebeker und Co. üben zwar, so will es der Mythos, Solidarität mit den Armen, können aber Kollateralschäden nicht vermeiden. Doch damit sich der Zuschauer angesichts der Schlechtheit der spätmittelalterlichen Welt nicht in düstere Gedanken versteigt, bieten ihm die Macher neben Störtebekers Liebesleid noch andere Formen der Ablenkung. Als Eyecatcher sind zwei alte Schlachtrösser des deutschen Films engagiert: Gudrun Landgrebe agiert als dänische Königin indes fade, Gottfried John, ebenfalls in einer Schurkenrolle, spielt wenigstens routiniert seinen Stiefel runter.

Es mag leicht weltfremd sein, von so einem Schinken Authentizität einzufordern, aber zumindest zwei Einfälle sind tollkühn: Die Kurische Nehrung ist zu idyllisch, als dass sich hier Szenen drehen ließen, die man mit den Verhältnissen der norddeutschen Unterschicht Ende des 14. Jahrhunderts in Verbindung bringt. Und warum wirkt Störtebekers Kumpel Erik, gespielt von Antonio Wannek, wie eine Mischung aus Kurt Cobain und David Beckham? RENÉ MARTENS