Krieg im Tschad weitet sich aus

Kämpfe zwischen Regierung und Rebellen nähern sich der Hauptstadt Ndjamena. Frankreich setzt Truppen in Alarmbereitschaft. Welche Rolle spielen Sudan und China?

BERLIN taz ■ Die Rebellen im Tschad, die Präsident Idriss Déby stürzen wollen, nähern sich der Hauptstadt Ndjamena. Monatelang waren die Kämpfe zwischen Regierungstruppen und der Rebellenkoalition FUC (Vereinigte Kräfte für den Wandel) auf den Osten des Landes an der Grenze zum Sudan beschränkt. Aber gestern tobten Gefechte um den Ort Mongo im Zentrum des Tschad. Nachdem die FUC am Dienstag die Einnahme der strategisch wichtigen Stadt 400 Kilometer östlich von Ndjamena gemeldet hatte, reklamierte die Regierung gestern die Rückeroberung, während die FUC zugleich erklärte, ihre Vortrupps seien bereits auf dem Weg Richtung Hauptstadt. Frankreich, das ständig 1.200 Soldaten im Tschad stationiert hält und mit seiner Luftwaffe Débys Armee bei Aufklärung und Versorgung hilft, meldete gestern Nachmittag Rebellenkolonnen nur 160 Kilometer vor Ndjamena. Ausländische Botschaften bereiteten Evakuierungspläne vor.

Die Regierung in Paris versetzte die französischen Truppen im Tschad in Alarmbereitschaft und verkündete die Entsendung von 150 zusätzlichen Soldaten. Schon seit Tagen wird nach Oppositionsangaben Militärmaterial über Kamerun nach Ndjamena geschafft.

Die Krise des Déby-Regimes geht einher mit dem Aufstieg des Tschad zum Ölexporteur seit 2003. Der Umgang mit den Ölreichtümern hat die herrschende Elite gespalten. Débys früherer Ölminister Tom Erdimi lebt heute im texanischen Exil und stellt sich als politischer Führer der Rebellen dar. Diese wiederum sind in unzählige Fraktionen gespalten – manche werden von Sudans Regierung unterstützt, manche von den Rebellen im westsudanesischen Darfur an der Grenze zum Tschad.

Den direkten Auslöser für die Rebellionen im Osten Tschads gab 2005 die Enttäuschung hoher tschadischer Armeeoffiziere aus der Zaghawa-Ethnie des Präsidenten, dass sie nicht aktiver den ebenfalls zum Zaghawa-Volk gehörenden Rebellen in Darfur helfen durften. In Darfur haben regierungstreue arabische Milizen, genannt „Janjaweed“, seit 2004 Millionen von Menschen schwarzafrikanischer Völker vertrieben, darunter der Zaghawa, und der Konflikt mit Rebellengruppen aus diesen Völkern dauert an. Um den Tschad davon abzuhalten, aus Solidarität mit den Zaghawa Darfurs Rebellen aufzurüsten, förderte Sudans Regierung selbst Rebellen im Tschad, die nach Recherchen von Menschenrechtlern von den Janjaweed-Milizen unterstützt werden. Diese jagen inzwischen Darfur-Flüchtlinge tief im Tschad.

Die neueste Eskalation des Krieges geht auf den 15. März zurück, als ein Attentat auf Déby in der Hauptstadt scheiterte. Die darauf folgende Großoffensive der Regierung gegen die Rebellen wurde zum Fiasko: Armeechef General Abakar Youssouf Mahamat Itno fiel am 30. März im Kampf, und seitdem melden die Rebellen andauernd Erfolge. Vor wenigen Tagen verkündeten sie die Einnahme der Stadt Am Timan und weiterer Ortschaften nahe der Zentralafrikanischen Republik. Dann stießen sie auf Mongo vor. Von dort können sie entweder direkt nach Ndjamena fahren oder weiter nördlich bei Ati auf die wichtigste Überlandstraße des Tschad treffen, die quer durch das Land von Ndjamena im Westen nach Abéché im Osten führt und von französischen Truppen gesichert wird.

Die Frage ist nun, ob die Rebellen Präsident Déby noch vor den für 3. Mai geplanten Präsidentschaftswahlen stürzen wollen. Diese werden von der zivilen Opposition fast geschlossen boykottiert. Doch Oppositionsparteien sind den Rebellen nicht wohlgesinnt, weil die meisten ihrer Führer früher selbst zu Débys engstem Machtzirkel gehörten.

Nach Angaben von Massalbaye Tenebaye, Präsident der tschadischen Menschenrechtsliga, spielen auch asiatische Ölinteressen eine Rolle. Tschad ist der wichtigste afrikanische Verbündete Taiwans, das sich im Januar in die zukunftsträchtige tschadische Ölindustrie einkaufte. Die Volksrepublik China ist wiederum der wichtigste Käufer von Öl aus Sudan, ebenfalls eine aufstrebende Ölmacht. Es wird in Ndjamena nicht als Zufall gesehen, dass jetzt prosudanesische Rebellen im Tschad auf dem Vormarsch sind, die angeblich mit chinesischen Waffen kämpfen. DOMINIC JOHNSON