Ölpreis strebt neues Rekordhoch an

Internationale Energieagentur: Ölförderung ist im März gesunken. Im Sommer könnte ein Liter Super 1,70 Euro kosten

BERLIN taz ■ Der Ölpreis strebt auf neue Rekordmarken zu. Branchendienste gingen gestern davon aus, dass „der Markt in den USA die 70-Dollar-Marke testen will“. Damit wäre wieder knapp das Allzeithoch von 70,85 Dollar vom vergangenen August erreicht. Damals hatte der Hurrikan „Katrina“ viele Förderanlagen und Raffinerien im Golf von Mexiko zerstört.

Mittelfristig ist ein Preisrückgang nicht abzusehen, denn Nachfrage und Angebot klaffen beim Öl immer stärker auseinander, wie die jüngsten Marktdaten zeigen. So veröffentlichte die Internationale Energieagentur (IEA) in Paris gestern ihren Monatsbericht. Im März fiel das weltweite Ölangebot um 125.000 auf 84,5 Millionen Barrel am Tag. Ein Grund: In Nigeria haben Rebellen die Förderanlagen von Shell angegriffen. Seither sind sie weitgehend lahm gelegt.

Gleichzeitig rechnet die IEA aber damit, dass die Nachfrage um 1,47 Millionen Barrel pro Tag steigt. Allein in China nahm die Nachfrage um 4 Prozent zu. Im April dürfte der Bedarf daher bei knapp 86 Millionen Barrel täglich liegen. Konsequenz: Es entsteht eine Lücke von etwa einer Million Barrel täglich.

Lange hatte die IEA gehofft, dass unter anderem Russland die fehlenden Ölmengen liefern könnte, das 11 Prozent der Weltproduktion fördert. Doch nun macht sich Enttäuschung breit. IEA-Chef Claude Mandil beschwerte sich, dass Russland „hinter dem Plan liegt“. Wuchs die Förderung dort früher zweistellig, so wird für dieses Jahr nur noch ein Plus von 2 Prozent angenommen.

Um den Ölmarkt langfristig zu entspannen, hat Saudi-Arabien angekündigt, 50 Milliarden Dollar zu investieren, was die tägliche Produktion von 9,5 auf 12,5 Millionen Barrel steigern soll. Dieses Versprechen ist allerdings nicht neu; auch würden die Mengen nicht ausreichen, um die Förderrückgänge in der Nordsee, Nordamerika und anderen Opec-Staaten auszugleichen.

Die Spekulanten haben sich jedenfalls auf steigende Preise eingerichtet. „Die überwiegende Mehrheit hat so genannte Longkontrakte bei Öl, Benzin und Heizöl“, berichtet Ölhändler Otto Wiesmann von der New Yorker Terminbörse Nymex. Er rechnet für August mit 89 Dollar pro Barrel. „Falls die USA den Iran angreifen, sind wir aber weit über 100 Dollar.“ Auch ohne Kriegsereignisse prognostiziert Wiesmann für den Sommer 1,70 Euro für einen Liter Superbenzin.

Momentan kostet Superbenzin rund 1,33 Euro. Dieser Preisanstieg kurz vor den Osterferien verärgert Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD). „Das ist nicht in Ordnung“, sagte er gestern. Und wandte sich „an die Mineralölindustrie: Autofahren muss bezahlbar sein“.

Die hohen Ölpreise schlagen in Deutschland auch auf die Inflationsrate durch. Wie das Statistische Bundesamt gestern bekannt gab, stiegen die Lebenshaltungskosten im März um 1,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Doch ohne die hohen Energiepreise wären die Kosten nur um 0,8 Prozent gestiegen. Denn Gas, Öl und Strom legten im Vergleich zu März 2005 um 11,8 Prozent zu. ULRIKE HERRMANN