Schulexperten geben Stoiber Nachhilfe

Der CSU-Chef wollte Migrantenkinder mit Deutschproblemen an Förderschulen schicken. Nun protestieren Pädagogen. Kinder müssten nach ihren individuellen Bedürfnissen ausgebildet werden: „Die kann man doch nicht alle in einen Topf schmeißen“

AUS MÜNCHEN MAX HÄGLER

Sprachschutzsheriff Edmund Stoiber hat schneller geschossen, als Schulpolitiker denken konnten. Letzte Woche hatte Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef verkündet, dass Migrantenkinder mit Deutschproblemen nicht mehr auf die Grundschule dürfen, sondern Förderklassen besuchen müssen. Nun artikuliert sich massiver Widerstand.

In einem offenen Brief an Stoiber erklärt der Elternverein des Förderzentrums Altenstadt seine „Empörung“. Seit Jahren versuche man das Ansehen von Förderschulen zu verbessern, dieses werde „massiv geschädigt, wenn Kinder praktisch als Strafe in diese Schulen aufgenommen werden müssen“. Im Übrigen beweise Stoiber „Unkenntnis“, wenn er von Sonderschulen spreche. Seit einiger Zeit heißen sie in Bayern Förderschulen.

An der privaten Parzival-Schule in München empfindet man Stoibers Umgang mit Migrantenkindern als „eine Art Wegschieben“. Wenn Kinder zum Deutschlernen in die Förderschulen kommen, würden die eigentlichen Aufgaben vernachlässigt, so der Geschäftsführer Ulrich Hartmann. Aufnahmekriterien waren bisher Lernschwierigkeiten oder Krankheitsbilder wie Stottern, psychogene Stummheit, Depressionen, Sehschwierigkeiten oder Mehrfachbehinderung – neun Differenzierungen samt individueller Lehrpläne kennt Bayerns Förderschulsystem, das rund 70.000 Kinder betreut. Eine schlichte Sprachschule für durchschnittlich begabte Kinder ist aber nicht dabei. So ist Hartmann froh, dass seine Schule als private Institution die Aufnahme von Sprachschülern nicht diktiert bekommen kann. „Die kann man doch nicht alle in einen Topf schmeißen!“

Selbst im staatlichen Institut für Schulqualität und Bildungsforschung schüttelt man den Kopf. „Da würden Kinder, normal intelligent oder vielleicht gar hochbegabt, nur zum Deutschlernen an eine Förderschule kommen. Das ist falsch gedacht“, sagte Institutsrektor Alfons Schweiggert der taz. Die Neuregelung helfe weder Kindern, die Deutsch lernen sollen, noch Förderschülern. Schweiggert: „Man sollte sich vorher schon ein wenig in Kenntnis setzen, wenn man solche Ideen verbreitet.“ „Man“ ist Stoiber. Er und nicht der zuständige Kultusminister Siegfried Schneider hatte die neuen Pläne vermeldet. Entsprechend verstimmt kommentiert auch Schulministeriums-Sprecherin Lisa Hochmuth die Förderschul-Idee: „Wie es zu dieser Aussage kam, ist mir nicht klar.“ Ganz unsinnig findet man den Plan aber im Ministerium nicht. „Wenn ein Kind nach 160 Stunden Deutschunterricht – und der ist künftig während der Vorschulzeit verpflichtend – die Sprache noch nicht beherrscht, dann gibt es wohl tatsächlich einen sonderpädagogischen Förderbedarf.“