KURZKRITIK: HENNING BLEYL üBER DIE „FIDELIO“-ADAPTION
: Klug und klangvoll

Buhrufe? Nach einem Konzert der Kammerphilharmonie? Kaum möglich. Nach dem „Fidelio“, dem Musikfest-Sonderkonzert in der „Glocke“, waren sie dennoch zu hören. Sie galten allerdings nicht den MusikerInnen, sondern Ulrich Tukur. Der Schauspieler hatte Zwischentexte rezitiert, die das Geschehen in Beethovens einziger Oper aus Sicht von Kerkermeister Rocco reflektieren.

Der bildungsbürgerlich-bornierte Purismus, der per Buhruf die inhaltliche Aktualisierung der Oper straft, ist bedauerlich. Denn Walter Jens hat Texte geschrieben – und Tukur für sie sein Bestes gegeben –, die die politische und psychologische Dimension des Bühnenwerks deutlich steigern. Man muss den Fidelio, der um die Befreiung politischer Gefangener kreist, keineswegs als Amnesty-International-Oper auffassen. Doch der innerlichen Ambivalenz des Kerkermeisters Raum zu geben, nimmt der Musik nichts und lädt die Form mit inhaltlicher und ästhetischer Zusatzspannung.

Die war auch den Musikern anzumerken. Paavo Järvi am Pult hatte sichtlich Sinn für Tukurs Deklamationen, der Deutsche Kammerchor ließ sich zu erstaunlichen theatralen Qualitäten animieren. Und die Solisten? Größtenteils traumhaft. Bei einer solchen Besetzung wundert es nicht, wenn sogar stimmliche Perlen wie Julian Prégardien – als Pförtner Jaquino – in Nebenrollen versteckt werden. Und dass Burkhard „Florestan“ Fritz mal am Bremerhavener Theater sang, ist kaum noch zu glauben.