Rücktritt oder Selbstentleibung

STEUERDEAL Kiels Oberbürgermeisterin Susanne Gaschke (SPD) wird von ihren Obergenossen, Parteichef Ralf Stegner und Ministerpräsident Torsten Albig, zum Abschuss freigegeben

Das wird jetzt ganz eng für Kiels Oberbürgermeisterin Susanne Gaschke (SPD). Nicht nur, weil die schleswig-holsteinische Kommunalaufsicht am Freitag ihren Steuerdeal mit einem Augenarzt für rechtswidrig erklärte und die Einleitung eines Disziplinarverfahrens prüft. Sondern vor allem deshalb, weil Gaschke sich mal so nebenbei öffentlich mit den beiden Obergurus ihrer eigenen Partei angelegt hat: Ministerpräsident Torsten Albig und Parteichef Ralf Stegner.

Gaschke hatte Albig unterstellt, „persönlich in dieses Verfahren eingegriffen“ zu haben. Sie sei sich „nicht mehr sicher, ob es hier um die Sache oder um alte Rechnungen und Intrigen geht“. Albig wies das zurück und erklärte, er habe der Oberbürgermeisterin noch vor zwei Wochen in einer „freundschaftlichen SMS“ wohlmeinende politische Tipps gegeben: „Fehler zu machen, lässt einen fast nie stürzen – nur der Umgang mit ihnen.“ Gegen die jetzige „unglaubliche Verdächtigung“ jedoch behalte er sich juristische Schritte vor.

In gnadenloser Deutlichkeit blaffte Stegner zurück. Gaschkes Vorwürfe seien „vollständig absurd“ und der Vorwurf, Albig habe einen Rechtsbruch begangen, „ist eine in jeder Weise inakzeptable Entgleisung“, so der SPD-Chef. Offenkundig handele es sich bei der Genossin Gaschke „um einen krassen Fall mangelnden individuellen Urteilsvermögens und gänzlich ungeeigneter Methoden der Selbstverteidigung durch haltlose Anschuldigungen gegen andere“.

Sätze wie diese gelten nach den Regeln der geschliffenen Diplomatie als Aufforderung zur Selbstentleibung. Der wird die 46-Jährige zwar kaum nachkommen, ob sie aber um ihren Rücktritt noch an diesem Wochenende herumkommt, ist fraglich.

Die ehemalige Redakteurin der Zeit ist erst seit Ende vorigen Jahres im Amt als Nachfolgerin von Albig, der im Juni 2012 zum Ministerpräsidenten aufgestiegen ist. Ende Juni hatte Gaschke einem Mediziner Zinsen und Säumniszuschläge in Höhe von 3,7 Millionen Euro erlassen. Der Arzt stottert im Gegenzug in einem Verfahren, das sich seit 15 Jahren hinzieht, fällige Gewerbesteuern in Höhe von 4,1 Millionen Euro ab.

Gaschke hatte ihre Entscheidung, sich mit dem Spatz in der Hand zu begnügen, mit der wirtschaftlichen Lage des Schuldners begründet. Wenn das letztlich als falsch eingestuft würde, wäre es ein Fehler, „der nicht aus böser, anmaßender Absicht, sondern zum Wohle der Stadt geschehen wäre“, so Gaschke.

Zugleich aber stellte sie die Frage, warum die Forderungen nicht bereits vor Jahren vollstreckt wurden. Damit spielte sie auf ein mögliches Fehlverhalten ihres Vorgängers Albig an. Das droht ihr nun schlecht zu bekommen. SVEN-MICHAEL VEIT