Lausitz, Sorbenland

Die Sorben sind ein Überbleibsel der gewaltsamen Veränderungen in Europa zur Zeit der Völkerwanderungen vor eineinhalbtausend Jahren. Hunnen und Vandalen trieben slawische Völker aus den Karpaten in Richtung Westen. Ungefähr 60.000 Sorben leben heute noch im Tiefland der Niederlausitz und im bergigen Land der Oberlausitz.

1977, also noch zu DDR-Zeiten, wurde beschlossen, das Dorf Horno in der Niederlausitz dem Braunkohletagebau zu opfern. Schon damals leisteten die Bürger – unter Stasi-Beobachtung – Widerstand. Sie gründeten Bürgerinitiativen für den Erhalt des Dorfs und gingen mit ihrem Anliegen an die Öffentlichkeit. Der jahrelange Rechtsstreit führte bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Dort wurde festgestellt, der Beschluss sei aufgrund des wirtschaftlichen Wohls gerechtfertigt.

2005 konnte der schwedische Energiekonzern Vattenfall die Zerstörung des Dorfs abschließen: Das letzte Haus wurde geräumt. Viele Bewohner wurden in die zehn Kilometer entfernte Stadt Forst umgesiedelt, in den Ortsteil Neu-Horno. Der Altar und die Turmhaube der 500 Jahre alten Feldsteinkirche von Horno wurden vor der Sprengung demontiert und in die neue Kirche Neu-Hornos eingebaut.

Die etwa 40.000 Obersorben rund um Bautzen sind überwiegend katholisch, während die 20.000 Niedersorben im Raum Cottbus evangelisch sind. Beide Sprachen sind unterschiedlich: Das Obersorbische ähnelt eher der tschechischen, das Niedersorbische mehr der polnischen Sprache. Es erscheinen auch sorbische Zeitungen, unter anderem die obersorbische Tageszeitung Serbske nowiny (Sorbische Zeitung), die niedersorbische Wochenzeitung Nowy casnik (Neue Zeitung) und die sorbische Kulturmonatsschrift Rozhlad (Umschau). MDR und RBB Brandenburg senden Programme in sorbischer Sprache.

Das Osterreiten ist nur der bekannteste sorbische Brauch. Ebenfalls populär ist das Verzieren von Ostereiern in Kratz-, Ätz-, Wachs- oder Bassiertechnik. Zur Tradition zählen darüber hinaus diverse Feste. Sie beruhen auf heidnischen und religiösen Überlieferungen oder auf historischen Begebenheiten. Ein Brauch ist das so genannte Hexenbrennen. Das Feuer bedeutet das Ende des Winters und soll dem Schutz vor Hexen dienen. Weitere Veranstaltungen sind das Park- und Blütenfest in Kromlau, die Mönchszüge auf dem Berg Oybin, der Bierzug von Eibau nach Walddorf, und der Neugersdorfer Jakobimarkt.

Das Bemühen der Sorben um den Erhalt ihrer Kultur wird auch durch Gesetze unterstützt. Sie regeln den Schutz ihrer kulturellen und nationalen Identität. Die Verfassungen Sachsens und Brandenburgs haben den Schutz und die Förderung der Sorben als Staatsziel in der Verfassung verankert. In Brandenburg existiert zum Beispiel das Sorben/Wenden-Gesetz (SWG). Es orientiert sich an den Anforderungen im Einigungsvertrag und der EU zum Minderheitenschutz.

Sorbisch ist als Zweitsprache anerkannt. Auf den Ortsschildern in der Lausitz stehen die sorbischen Namen der Dörfer. Im sorbischen Siedlungsgebiet werden kommunale Sorbenbeauftragte bestellt. In den Ministerien für Kultur, für Inneres und für Volksbildung gibt es sorbische Abteilungen. Als nationale Minderheiten sind in Deutschland neben den Sorben anerkannt: Friesen, Dänen und Roma und Sinti. Seit 2002 gibt es einen „Beauftragten der Bundesregierung für nationale Minderheiten“, der zugleich Aussiedlerbeauftragter ist. THOMAS SPINNLER