Schlappe für den schlechten Verlierer

Die Versuche Silvio Berlusconis, das italienische Wahlergebnis noch zu verändern, sind gescheitert. Der Wahlsieg Romano Prodis ist bestätigt. Doch langfristig könnte Berlusconis Strategie, die kommende Regierung zu delegitimieren, Erfolg haben

AUS ROM MICHAEL BRAUN

Silvio Berlusconis wütende Kampagne gegen den vorgeblichen Wahlbetrug der Linken entpuppt sich zunehmend als Luftnummer. Noch am Mittwoch hatte der geschlagene Premier den Konflikt weiter angeheizt, hatte von verbreiteten Betrügereien „im ganzen Land“ gesprochen und gefordert: „Das Ergebnis muss sich ändern.“ In einem Gespräch mit dem Staatspräsidenten Carlo Azeglio Ciampi hatte er zudem die Chancen für ein Gesetzesdekret seiner scheidenden Regierung sondiert: Das Dekret sollte die Auszählung nicht nur der wenigen tausend „umstrittenen“ und bisher keiner Partei zugeordneten, sondern auch der 1,1 Millionen ungültigen und der „weißen“ Stimmzettel jener Wähler ermöglichen, die sich der Stimme enthielten.

Doch bei Ciampi holte Berlusconi sich mit diesem Ansinnen eine Abfuhr, und auch bei den umstrittenen Stimmzetteln gab es schlechte Nachrichten für den Regierungschef. Angesichts des denkbar knappen Abstands zwischen Prodi und Berlusconi von nur 25.000 Stimmen bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus hatte bei vom Innenministerium zunächst gemeldeten 43.000 umstrittenen Stimmen zumindest theoretisch die Möglichkeit bestanden, das Ergebnis könne sich noch umkehren.

Diese Möglichkeit aber hat sich in Luft aufgelöst, nachdem Donnerstag mit der Sichtung begonnen wurde: Im ganzen Land summieren sich die umstrittenen Stimmzettel fürs Abgeordnetenhaus nach neuesten Angaben des Innenministeriums auf 2.131 und entfallen zu etwa gleichen Teilen auf beide Lager.

Zunehmend entspannt gab sich deshalb Romano Prodi, der seinem Gegner hinterherrief: „Er kann halt nicht verlieren.“

Viel spricht aber dafür, dass Berlusconi weniger aus Enttäuschung als aus kühlem politischem Kalkül den Wahlbetrugskrach angezettelt hat. Schon im Wahlkampf hatte er seine Anhänger immer wieder vor den dunklen Machenschaften der Linken inklusive eines möglichen Wahlbetrugs gewarnt. Wenn er jetzt angebliche Betrügereien beschwört – ohne übrigens bisher die Spur eines Beweises geliefert zu haben –, dann mit der Absicht, Prodi von vornherein den Makel anzuhängen, er sei eigentlich gar nicht der legitime Regierungschef, sondern bloßer Usurpator der Macht. So haltlos diese These ist – bei der eigenen Wählerschaft kommt sie gut an.

Die offen angestrebte Delegitimierung einer Regierung Prodi soll wiederum die moralische Rechtfertigung für die von Berlusconi anvisierte Oppositionsstrategie totaler Obstruktion liefern. Prodi verfügt im Senat über bloß zwei Stimmen Mehrheit. Jede Ausschusssitzung, jede Abstimmung im Plenum wird damit zur Zitterpartie. Berlusconi setzt offenkundig darauf, die Regierung im parlamentarischen Grabenkrieg schnell zu verschleißen. Schon prognostizieren die rechten Tageszeitungen Libero und Il Giornale Neuwahlen in spätestens einem Jahr – und der Spitzenkandidat der Rechten könnte dann wieder Silvio Berlusconi heißen.