Rumsfelds Abgang ist überfällig, ändert aber wenig im Irak
: Kommentar von Bernd Pickert

Es ist nun wahrlich keine Friedensbewegung, die derzeit in den USA den Rücktritt des Verteidigungsministers Donald Rumsfeld fordert: Sechs ehemalige hochrangige Generäle, die vermutlich die Meinung vieler, wenn nicht – wie manche Medien spekulieren – der Mehrheit der derzeit aktiven US-Offiziere repräsentieren, wollen den Neubeginn. Und wieder, wie schon nach dem Abu-Ghraib-Skandal, fällt US-Präsident George W. Bush nichts anderes ein, als Rumsfeld seine Unterstützung zuzusichern.

Das Paradoxe ist: Gerade wer an den Krieg im Irak glaubt – und das tut inzwischen nur noch eine Minderheit der Menschen in den USA – muss einen Wechsel an der Pentagon-Spitze wünschen. Zeigt sich Bush nicht in der Lage, der zunehmenden Frustration über die blutige Stagnation im Irakkrieg mit auch drastischen politischen Schritten zu begegnen, werden noch die letzten vom Glauben abfallen. Und das könnte, so spekuliert zu Recht Washington-Post-Kommentator David Ignatius, tatsächlich dazu führen, dass der Krieg an der Heimatfront verloren wird.

Für einen Rücktritt bzw. eine Absetzung Rumsfelds hätte es in den vergangenen Jahren bessere Gründe gegeben als die Kritik einiger hoher Militärs. Denn die Uniformträger mögen in allen möglichen Situationen Gründe haben, an ihrer zivilen Führung kein gutes Haar zu lassen. Inhaltlich haben sie auch kaum Neues zu bieten. Den Kern ihrer Kritik hatte schon lange und noch drastischer der erste US-Zivilverwalter im Irak, Paul Bremer, geäußert: mangelndes Eingehen auf die Anforderungen vor Ort und eine unzureichende Ausstattung der Besatzungstruppen, letztlich also: mangelnde Planung für den Nach-Invasions-Irak. Die politische Mitverantwortung Rumsfelds sowohl für die Massenvernichtungswaffenlüge als auch für den Abu-Ghraib-Skandal hätte allemal für einen Rücktritt gereicht.

Es ist vielmehr die offenbar panische Angst Präsident Bushs, mit Rumsfelds Abgang werde seine ganze Kriegspräsidentschaft wie ein Kartenhaus zusammenbrechen, die Rumsfeld im Amt gehalten hat. Insofern wird er Rumsfeld erst gehen lassen, wenn die Angst vor dem Status quo größer wird als die vor dem Wechsel. Ein neuer Pentagon-Chef mit mehr überparteilicher Ausstrahlung – etwa die Senatoren Chuck Hagel, John McCain oder gar der rechte Demokrat Joe Lieberman, wie sie David Ignatius in der Post ins Spiel bringt – könnte zwar innenpolitisch echte Veränderung signalisieren. Nur: Auch Bush müsste wissen, in welche Richtung er denn will.

Für „Augen zu und durch“, wie bisher, ist die Zeit abgelaufen. Das aber scheint seit dem „Ende größerer Kampfhandlungen“ vor drei Jahren das Einzige zu sein, was der Präsident glaubwürdig hat vertreten können. Das ist zu wenig – mit oder ohne Rumsfeld.